„... man muß an die Gewinne ran“

■ Der Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel fürchtet Bonner „Scheingefechte“ und will Unternehmer „in die Pflicht nehmen“

taz: Herr Hickel, alle reden vom „Bündnis für Arbeit“, aber ...

Hickel: ... wer ankündigt, Arbeitsplätze zu streichen, wird belohnt. Dessen Kurse an der Börse schnellen nach oben. Nein, die Runde beim Kanzler hat eine Schieflage: Die Unternehmer werden nicht in die Pflicht genommen. Es wird nur diskutiert, wie Lohn- und Sozialbau verlangsamt oder beschleunigt werden können.

Ich bitte Sie. Nun sind wichtige Leute in den Kampf gezogen gegen das, wie es Kohl mal genannt hat, „Krebsübel der Gesellschaft“: die Arbeitslosigkeit.

Manchmal fürchte ich fast, daß da nur Scheingefechte geführt werden. Andererseits ist die Arbeitslosigkeit inzwischen ein so großes Problem geworden, daß die in Bonn das ernst nehmen müssen: Sie gefährdet die Demokratie. Was ich nicht verstehe ist, daß nach so einer Runde alle den Eindruck erwecken, man habe was erreicht.

Kanzleramtsminister Bohl sieht das so: Es war ein „erfolgreiches Gespräch“. DGB-Chef Schulte: „ein wichtiger Schritt“.

Da mußten sich die von der Nacht ermüdeten selbst einen Erfolg zureden. Es hat keine Einigung gegeben.

Woran liegt's?

Bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit stehen sich einfach zwei Interessen diametral gegenüber: Kapital und Kabinett sagen, nur durch Lohnkostensenkung, nur duch Sozialabbau können wir die Krise bewältigen. Sie wollen alles auf dem Rücken der Betroffenen lösen und ...

... der DGB macht mit.

Diese Gefahr besteht tatsächlich. Wenn DGB-Chef Schulte erklärt, daß es ein großer Erfolg ist, daß das Arbeitslosengeld etwas weniger abgebaut wird als von der Regierung geplant, dann will er die Krise bekämpfen mit einer Kürzung der Sozialleistungen.

Im Klartext: Schulte schadet Arbeitnehmerinteressen?

So scharf würde ich das nicht formulieren. Aber die Gewerkschaften müssen sich zwischendurch immer wieder auf ihre eigenen Kräfte besinnen.

Vielleicht ist alles aussichtslos. Schon sind acht Millionen Arbeitslose prognostiziert.

Nein! Ich bin ganz sicher, daß man einen strammen Teil der Arbeitslosigkeit abbauen kann. Man muß nur an der neuralgischen Stelle dieses Systems ansetzen! Gewinne müssen sein, um die Finanzierung von Arbeitsplätzen voranzutreiben. Aber wenn die Gewinne zur Arbeitsplatzvernichtung benutzt werden – dann ist dieses System marode.

Sie wollen Zwang?

Es geht doch um die Frage: Wollen wir Arbeitslosigkeit bekämpfen oder wollen wir marktwirtschaftlich-liberalistische Freudenfeste feiern – man muß die Unternehmer in die Pflicht nehmen.

Dann sagt Daimler-Benz-Chef Schrempp: Ich gehe in die USA.

Das macht er doch trotzdem. Interview: Arno Luik