Polens Premier steht das Wasser bis zum Hals

■ Staatsanwaltschaft leitet Ermittlungen wegen Spionage für den sowjetischen Geheimdienst gegen Oleksy ein – sein Rücktritt scheint unausweichlich

Warschau (taz/AFP/rtr/AP) – Wegen des Verdachts auf Spionage für die Sowjetunion wird die Militärstaatsanwaltschaft in Warschau eine Untersuchung gegen den polnischen Ministerpräsidenten Jozef Oleksy einleiten. Wie deren Sprecher, Oberst Wlodizimierz Pospiech, gestern mitteilte, soll untersucht werden, ob der Regierungschef „ausländische Geheimdienste mit Informationen versorgte“.

Oleksy, der seine Unschuld beteuert, hatte mehrfach Rücktrittsforderungen der Opposition und der polnischen Presse zurückgewiesen. Auch der wiederholten Aufforderung, sein Amt bis zur endgültigen Klärung der Vorwürfe ruhen zu lassen, war der polnische Regierungschef nicht nachgekommen. Der Exkommunist Oleksy soll den Vorwürfen zufolge ein Agent des sowjetischen Geheimdienstes KGB gewesen sein. In einem Interview hatte Oleksy eingestanden, seine Kontakte mit dem russischen Agenten Wladimir Alganow, die bis nach der politischen Wende in Polen bestanden hatten, seien unklug gewesen. Allerdings habe es sich dabei nur um „ganz gewöhnliche menschliche Beziehungen“ gehandelt. Die Wochenzeitung Wprost hatte berichtet, mindestens fünf Regierungsmitglieder der Exkommunisten, darunter Oleksy, hätten für Moskau spioniert. Das Blatt nannte drei Decknamen: „Olin“ (Oleksy), „Minim“ und „Kat“.

Mit der Entscheidung der Militärstaatsanwaltschaft steht die politische Zukunft Oleksys auf dem Spiel. Der Ministerpräsident hatte selbst für den Fall einer Untersuchung einen Rücktritt nicht ausgeschlossen. Möglicherweise steht damit jetzt auch eine weitgehende Umbildung des Kabinetts bevor. Der Partner der Linkskoalition, die Bauernpartei, sieht offenbar eine Chance, die Führung im BÜndnis zu übernehmen. Sie erklärte, es sei auch eine Koalition mit jetzigen Oppositionsparteien möglich, auch wenn sie selbst nicht das Amt des Ministerpräsidenten bekomme. Auch Präsident Alexander Kwasniewski hatte unlängst Neuwahlen vor diesem Hintergrund nicht mehr ausgeschlossen. Außerdem verlangte er, alle Geheimdienstakten offenzulegen.

Unterdessen hat der frühere polnische Staatspräsident Lech Walesa vorgezogene Parlamentswahlen verlangt. Das sei in einer Demokratie der einzige Ausweg aus einer solchen Krise, sagte Walesa in Anspielung auf die Spionagevorwürfe gegen den polnischen Ministerpräsidenten. Sollte es tatsächlich Wahlen vor dem eigentlichen Termin im nächsten Jahr geben, hätten die Parteien der politischen Mitte und der Rechten eine Siegeschance, erklärte Walesa. Er wiederholte in diesem Zusammenhang aber seine Forderung nach einer Allianz der Parteien, die aus dem Gewerkschaftsbund Solidarität hervorgegangen sind. bo