Fummeln an der Flokatibar

■ Kampnagel: Ein kurzweiliges Gastspiel mit Sasha Waltz' „Travelogue 2“

Im Bewußtsein vieler Linker und Künstler gibt es nur Sexisten und Verklemmte. Hat man die Flucht aus dem einen Verdacht geschafft, steht man schon im anderen. Dazwischen gibt es nur No-Sex. Deutsche Bühnen und Theaterkritiken sind voll von diesem Phänomen, das Theatermacher seit einigen Jahren dadurch zu überspielen versuchen, daß sie eine obligatorische Nackte auftreten lassen.

Bürger anderer Nationalitäten, die sich gerne in Deutschland aufhalten, haben damit erfrischend weniger Probleme. Sasha Waltz etwa besitzt die selbstverständliche Fähigkeit, Fummeln, Voyeurismus, die Schwierigkeiten, in einer WG zu wichsen, und überzeugendes Verlangen so zu choreografieren, daß weden Humor noch Sinnlichkeit zu kurz kommen. In Travelogue 2 – Tears Break Fast setzt sie – was auch nicht jedem gelingt – eine Arbeit fort, ohne zu langweilen.

Gegenüber ihrem ersten Stück, daß 1994 auf Kampnagel lief, ist der Nachfolger noch erzählerischer und dynamischer. Mit einer drehbaren Bühne – auf der einen Seiten eine Flokati-Bar, auf der anderen ein Badezimmer – und zwei Tänzern und zwei Tänzerinnen inszeniert sie eine kleine Komödie um Koks, Liebe, Mord und Träume von der großen Show. Leidenschaft im Badezimmer, Verulkung von Krimi-Pathos, Showtänze und groteske Übertreibung von Narzismen komponiert die junge Choreografin, die in Berlin lebt und arbeitet, so locker ineinander, daß weder störrischer Tiefgang noch Schnittkäse aus Klischees entsteht.

Merkwürdige Flirts, die durchaus offen lassen, wo der hübsche Mann unterhalb ihres Rocksaums denn die Flaschen hinsteckt, trauriges über den Tanz zwischen Depression und Genie eines Kokssüchtigen, Neckereien und Wutausbrüche auf der Brücke zwischen staunswerten Bewegungen und Szenen, die jeder kennt – Sasha Waltz Beobachtungen sind auf ihrem Weg zur Kunst stets noch in Sichtweite des Alltags angesiedelt. Und dazu fügt sie eine feine Jazz-Musik, die der lasziven Sinnlichkeit mondänen Flair verleiht.

Charme und Überzeugungskraft müssen sich eben nicht ausschließen. Die Zukunft eines Unterhaltungstanztheaters, das sich weder einer Geschichte noch launischen choreografischer Ideen verschließt, kann hier beschnuppert werden. Gerade in Hamburg fragt man sich ja öfters: Warum darf beim Tanz nicht gelacht werden? Hier darf es.

Till Briegleb

Bis morgen, 19.30 Uhr, k2