Durchs Dröhnland
: Röhren wie Lynyrd Skynyrd vor dem Flugzeugabsturz

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der nächsten Woche

Daß Salsa mehr sein kann als nur fröhliches Hüftenschütteln und bacardigeschwängertes Grinsen, beweisen spätestens Tumbatá. Wenn die ihre fetten Bläser auspacken und die beiden Sänger schmalzvoll dröhnen, dann merkt man, das hat mehr vom klassischen Swing, als sich mancher hat träumen lassen.

Heute, 22.30 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 76, Prenzlauer Berg

„Die beste Band Thüringens“ seien sie. Dieses Zitat der Thüringer Allgemeinen tragen die Fast Food Cannibals wie einen Pappkarton vor der Brust herum. Das hat ihnen einen Plattenvertrag beschert und der Republik Entlastung auf dem Arbeitsmarkt, weil sie prompt ihre Jobs geschmissen haben. Ob sie es mit ihrem Schweinerock wirklich schaffen, ihren Lebensunterhalt zu sichern, muß abgewartet werden. Solange singen sie noch in böse knarzendem Deutsch vom „Mörder“ in seiner sechs Quadratmeter großen Zelle und umranden sich die Augen ganz doll schwarz so wie Alice Cooper. Und der hat ja letztens erst Frau Schreinemakers gestanden, daß er sein ganzes Leben lang sehr gläubig gewesen sei und alles nicht so gemeint war. Die Pearls at Swine aus Berlin spielen immer noch durchhängenden Stones-Rock, dann aber auch schönen Primitiv-Metal. Und Ballyhoo aus Österreich können sich ganz offensichtlich noch daran erinnern, wie sich die Pixies mal angehört haben. Alle drei klingen sehr professionell und nicht einmal allzu bemüht. Aber ist Unentschlossenheit eine Zier?

Morgen, 21 Uhr, Huxley's Junior, Hasenheide 108, Neukölln

Ougenweide rules o.k., wenn The Merlons of Nehemiah ihre mittelalterlichen Instrumente auspacken, auch wenn sie darauf bestehen, daß keine „traditionellen Melodien“ verwendet werden. Aber daß man dazu gar tanzen kann, haben die Franken in, um und um Erlangen herum bei vielen Gelegenheiten bewiesen. Die elegischen Gesänge, der dreiste Popansatz und daß sie keine Angst haben, dem düsteren Mittelalter nur die positivsten Seiten abzugewinnen, hat sie dort unten zum Kult wachsen lassen.

Morgen, 21.30 Uhr, Schoko-Laden Mitte, Ackerstraße 169/70

Noch ein Beispiel für eine schwedische Band, die britische und vor allem amerikanische Musiken so selbstverständlich adaptiert, daß selbst die Originale verwirrt werden. Bei Buckshot O.D. wird gescratcht wie früher, aber auch gefiept und dahingeflockt wie sonst nur auf Platten, die Dr. Dre produziert hat, nur um dann den Ice-T zu machen. Natürlich fehlt auch die finanziell vielversprechende Dreifaltigkeit aus Knall-Baß, Metalgitarre und Rap nicht. Die fünfe lassen nichts aus, was in den Magen haut. Peinlich wird's nur bei den Texten. Ihre Debütplatte „Outta Coarse...“ beginnt mit den Zeilen „Shotgun shotgun... li'l thoroughbred / Big enough to blow off half o' ya fuckin' head“. Wenn da was dran ist, müssen die Reportagen aus dem Sozialstaat Schweden schnellstens umgeschrieben werden. Nichts dagegen, wenn jemand versucht, sich in seine Vorbilder einzufühlen, aber das hier ist nur noch affiges Plagiat.

Mit Accuser, morgen, 22 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg

Solltet ihr irgendwo lesen, daß Southern Culture on the Skids mit „Die Kultur des Südens auf Kufen“ übersetzt wird, dann wißt ihr, daß da jemand einer Falschinformation der Plattenfirma aufgesessen ist. Skid heißt mitnichten Kufe, sondern „schleudern“. Und „it's on the skids“ bedeutet „damit geht's abwärts“. Also hat es sich Rick Miller zur Aufgabe gemacht, mit ebenjener Band die Kultur der Südstaaten zu restaurieren und wiederaufleben zu lassen. In der Beziehung zieht er an einem Strang mit Leuten wie Tav Falco, nur der trägt dazu elegante Anzüge und obskure Oberlippenbärtchen. Miller zieht sich für die Bühne schlabbrige Latzhosen und noch schlabbrigere Schlapphüte an, um die Karikatur eines Landarbeiters aus den Fünfzigern abzugeben. Die Musik seines Trios ist trotz der dämlichen Witze allerdings ganz liebevoller Swamp- Rock, das dann wieder auch wegen der guten Witze. Einer der Helden ist Link Wray, das hört man in knochentrockenen Instrumentals, die auch gar nicht mehr so ungelenk dahergrooven.

Sonntag, 28. 1., 21 Uhr, Huxley's Junior

Silverfish, die einen siebzigermäßig dümpelnden Hardrock mit leicht avantgardistischen Elementen spielten, fielen bislang vor allem durch ihre gemeingefährlich tief kreischende Sängerin Lesley Rankine auf. Vor zwei Jahren verließ Rankine die Band, weil sie sich „total in der Falle fühlte. Ich machte Musik, die ich nicht mehr leiden konnte.“ Also flüchtete die Britin über den großen Teich und machte dort eine eigene Platte, nur unterstützt von wenigen Gastmusikanten und dem Produzenten Mark Walk, mit dem sie auch die Songs schrieb. Ruby nennt sie das Projekt und lehnt sich dabei stark an den Sound aus Bristol an. Zuerst so verschlafen wie Portishead oder so knarzend krude wie Tricky, aber dann wird dem TripHop doch eine neue Farbe hinzugefügt. Gewisse Rockelemente wollte Rankine nicht missen, das kann ein recht eleganter Riff ebenso sein wie ein fieses Schaben, das eben hörbar vom Hardcore und nicht aus einem Computer kommt. Vor allem ihr Gesang deckt eine wesentlich größere Palette ab. Das geht vom dezenten Schreien bis zum bedrohlichen Flüstern, wenn sie sich in eine Reihe stellt mit Liz Phair und PJ Harvey und anderen, die ein neues weibliches Selbstbewußtsein in der Popmusik definiert haben: „The more I see, the more I do, the more I spit, the more I chew, the more you suck, the more I have to swallow, baby.“

Sonntag, 28. 1., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

Wesentlich weniger Humor in der Beziehung haben Storm'n'Water, ein Berliner Sextett, das nicht nur so aussieht, als hätten sie Lynyrd Skynyrd noch vor dem Flugzeugabsturz live gesehen, sondern sich auch noch so anhört. Halt Southern Rock, halt mit Blues, und Sängerin Anna macht dazu die Rockröhre, wie man das früher zu nennen beliebte.

Donnerstag, 1. 2., 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 36-39, Prenzlauer Berg

Weil wir im Mittelalter angefangen haben, wollen wir mit Fiedeln aufhören. Mutabor spielen einen flugs dahintrampelnden Folkrock, wie ihn etwa Blyth Power mal zum besten gaben. Sie selbst nennen es Speedfolk. Einziger Unterschied zu den diversen britischen Vorbildern: Das Quintett aus Berlin singt auf deutsch. Idyllische Balladen können sie auch, aber dann wird es etwas unangenehm krautrocken. Nette Überraschung jedenfalls.

Donnerstag, 1.2., 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg, Eintritt frei! Thomas Winkler