Solange das Feuer in der Tonne brennt

■ Seit vier Wochen harren Bewohner der abgebrannten Schliemannstraße 10 am Helmholtzplatz im Prenzlberg aus

Das Feuer ist aus. Die Tonne, aus der in den letzten vier Wochen rund um die Uhr lodernde Holzlatten und Weihnachtsbäume ragten, ist leer. Auch die Teekanne, die eine Sozialamtsmitarbeiterin – von den Besetzern und Kiezsprittis liebevoll „Tussi“ genannt – jeden Tag vorbeibrachte, ist weg. „Hoffentlich hat die keiner gezogen“, krächzt einer der Besetzer. Es ist das erste Mal, daß in der Nacht niemand im Zelt am Helmholtzplatz geblieben ist. „Wir sind alle untergeschlüpft bei irgendwelchen Bekannten“, sagt einer der Besetzer mit Frostbeulen im Gesicht.

Aus der Notunterkunft, eingerichtet, als ein Feuer in der Nacht des 26. Dezember in dem ehemals besetzten Haus in der Schliemanstraße 10 zwei Menschen tötete und eine Gruppe junger Leute obdachlos machte, ist mittlerweile eine Mahnwache geworden. Ein Opfer der Kälte möchte zwar keiner werden, doch aufhören, einpacken, endgültig zu Bekannten in eine einigermaßen warme Bude ziehen, will auch niemand. Erst drei Besetzer haben ein Angebot des Bezirks angenommen und sind in das vom Pfefferwerk betreute Projekt in der Lychener Straße gegangen. „Wir wollen aber als Gruppe zusammenbleiben, weil wir uns nur so gegenseitig helfen können“, beharren die Bewohner des Zeltes, das ihnen der Malteserhilfsdienst zur Verfügung stellte, nachdem die Besetzung eines Hauses in der Raumerstraße wenige Tage nach dem Brand gescheitert war. Die Staatsanwaltschaft ermittelt noch immer.

„Solange sich keine umfassende Lösung abzeichnet, geht unser Protest weiter. Wir sind jetzt etwa dreißig Leute, wenn es Frühling wird, werden wir noch mehr“, verkündet einer der Besetzer. Wieder einmal kommt das Gerücht von einer heißen Räumung auf. Andererseits hatte die Münchner Besitzerin an einer Bewohnung des Seitenflügels größtes Interesse, glaubte sie damit doch ihre Vorstellungen von der Lückenschließung des einstigen Vorderhauses besser durchsetzen zu können. Der Bezirk hatte eine solche Bebauung nicht genehmigt, da er das Areal für eine Grünfläche und einen Spielplatz nutzen will. Aus der Tonne vor dem Zelt steigt Rauch, und wenig später lodern die Flammen wieder. Bis zum Mittag versammeln sich zehn Leute auf dem „Helmi“. Ehemalige Bewohner der Schliemannstraße 10 sind nur wenige darunter. Bei „Spar“ gegenüber werden Pfandflaschen in einen Liter Sangria eingetauscht. Er wird ebenso geteilt wie die geschnorrte Räucherware. Die Anwohner seien ihnen noch immer wohl gesonnen, freut sich einer der Besetzer und erzählt, daß ihnen am Mittwoch eine Linsensuppe spendiert wurde. Was er nicht weiß: Vor der Bezirksverordnetenversammlung am Abend des gleichen Tages berichtete der Nochsozialstadtrat in Prenzlauer Berg, Reinhardt Kraetzer (SPD), daß die Polizei, als sie aufgrund einer Lärmbelästigungsanzeige die Personalien der Zeltinsassen kontrollierte, auf acht Leute traf, die im Kiez durchaus feste Wohnadressen hätten.

„Die PDS hat versprochen, uns zu helfen“, macht einer der Besetzer der Runde Mut. Doch der Zusatz „als Gruppe“ wurde von der BVV Prenzlauer Berg letztlich aus dem von der PDS eingebrachten Antrag gestrichen. Hilfe zur sofortigen Beendigung der Obdachlosigkeit wird nur für einzelne möglich sein. Mittelfristig will der Bezirk jedoch nach einem Objekt suchen, daß für die Unterbringung obdachloser Jugendlicher geeignet ist. Das Konzept für eine Betreuung wurde mittlerweile von der Abteilung Jugend und Familie erstellt, der Entwurf soll demnächst im Jugendhilfeausschuß diskutiert werden. Nur das Objekt selbst gibt es noch nicht. Bleibt nur der Appell der BVV an die Helmholtzplatz-Bewohner, entsprechende Angebote anzunehmen. Doch solange Feuer in der Tonne ist, wird daraus nichts werden. „Egal wie lange der Winter dauert“, so einer der Besetzer. Kathi Seefeld