Helden: der Hotelier Von Claudia Kohlhase

Hoteliers haben manchmal malerische Locken, kalkulieren aber trotzdem knallhart. Vielleicht ist das gar kein Widerspruch, da sie ja außenrum repräsentieren müssen. Innerlich muß es dann aber wieder geordnet zugehen und tut es auch, gemäß der Bestecklage. Die Bestecklage sieht so aus, daß abends immer wieder alle Löffel und Gabeln da sind, ein kleines Wunder, aber im Grunde auch keines, da die Seniorchefin darüber wacht, die Seniorchefin oder die Mutter des Hoteliers.

Die Seniorchefin hat einen Silberblick und sieht deswegen manchmal über ihren guten Sohn hinweg, der trotzdem wirklich gut ist – trotz seiner wilden Haare. Für die kann er ja nichts, sondern ein Urgroßvater, Gott hab' ihn selig, bestimmt nicht aus der Hotelbranche. Allerdings ist das Hotel auch noch relativ jung, was den Hotelier zu Neuerungen ermuntert. Und wenn die Seniorchefin zustimmt, kann's meist bald mit jeder einzelnen Neuerung losgehen.

Der Hotelier nimmt, wie seine Mutter, die Gäste sehr genau und verschafft ihnen eine Atmosphäre, an die sie denken sollen, darunter auch Strohkranzarrangements und eigene Parkplätze. Jeder Gast, das weiß der Hotelier, und das weiß auch seine Mutter, ist glücklich, morgens seinen Wagen wiederzufinden und kommt darin dann gern wieder. Mit der gegenüberliegenden Tankstelle hat der Hotelier ein leiseres Schließen der Kühlerhauben vereinbart. Mit der Kirche hapert es dagegen wegen der frühen Glocken. Hin und wieder fragt ein seltener Gast nach Meßzeiten, aber da weiß der Hotelier keinen Rat.

Interessiert sich der Hotelier für seine Gäste? Ja, wenn sie sich zurückinteressieren. Das empfindet der Hotelier als Abwechslung im Vergleich zu Busladungen, die sich nicht interessieren, sondern nur auf Abfahrten warten und seine Rezeption vollstehen, obwohl dafür das Foyer vorgesehen ist und solange brachliegt. Dabei gibt es auf der Eichentruhe des Foyers ein besonders geschmackvolles Strohkranzarrangement und dielenartige Fliesen, auf denen gut und gerne gestanden werden kann.

Zum Beispiel hat der Hotelier einen Hund, der ihn sehr interessiert. Der Hund kommt mit auf Reisen und bellt wenig. Im Hotel bellt er sozusagen überhaupt nicht, was er aber auch nicht muß, weil er nicht zum Aufpassen da ist. Zum Aufpassen sind ja genügend andere da, der Hotelier selbst etwa, und die Seniorchefin sowieso. Kommen etwa morgens zu früh Gäste die Hoteltreppe herunter, ist die Seniorchefin gleich im Bilde. Fast erschrickt sie über diese Anmaßung, läßt sich das aber nur in besonders frühen Fällen anmerken. Es wird sicherlich Gründe geben, wenn jemand so früh aufsteht oder gar kein Frühstück will oder lieber Tee statt Kaffee. Derweil überwacht die Seniorchefin das Frühstücksbüfett und spricht auch relativ leichthin zu den Leuten.

Eher selten empfindet der Hotelier den Überblick, den er hat, als übertrieben, das darf dann nur die Seniorchefin nicht wissen. Oder daß er sich manchmal in Gedanken irgendwo dazusetzt. Insgesamt funktioniert also alles sehr gut, und manche Gäste sind ja auch, wie gesagt, dankbar, und interessieren sich über Hunde hinaus sogar noch für ihre Zimmer. Sie stellen darin Kerzen auf und bitten den Hotelier um Feuer, was ihn freut, weil er dadurch etwas verschworen wirkt.