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Wagenlenker zur Weltkultur

■ Der CDU-Mann Peter Radunski ist der neue Kultur- und Wissenschaftssenator Berlins. Heute ist sein erster Amtstag

Was soll er nicht alles können, haben, sein und machen: die Etats der Berliner Kultureinrichtungen unter Einsatz von Leib und Leben schützen, beste Kontakte zur Wirtschaft haben, Peter Steins „Faust“- Projekt ermöglichen und in der Berliner City einen „anständigen“ Platz für Lagerfeuer und ein Zirkuszelt roden. Hochgebildet soll er sein und entscheidungsfreudig, ehrgeizig und beredt, integrativ und souverän, lokalpatriotisch und weltläufig, nie zufrieden, aber manchmal glücklich.

Der Wunschzettel der Berliner Kulturschaffenden war lang, was ihren zukünftigen Kultursenator betrifft. Jetzt hat die CDU einen halben Peter Radunski durch den Schornstein in die Nikolausstiefel geworfen (die andere Hälfte bekommt die Berliner Wissenschaft), und da liegt er nun drin, und alle gucken ihn an, und heute ist sein erster Amtstag. Peter Radunski, am 13. März 1939 in Berlin geboren. An der Friedrich-Ebert-Schule das Abitur gemacht, am Otto- Suhr-Institut Politologie studiert und doch zur CDU gegangen. Jahrelang war er Wahlkampfleiter der Partei, taktisch und organisatorisch gilt er als As. Vor fünf Jahren holte ihn Eberhard Diepgen als Senator für Bundes- und Europaangelegenheiten nach Berlin.

Ob das Berliner Kulturressort ein Traum von ihm gewesen sei, wurde Radunski in einem Interview gefragt, und er stritt nicht ab. Nach eigenem Bekunden liebt er besonders die leichte Muse, und er will eher „klotzen als kleckern“, um die Berliner Kultur konkurrenzfein zu machen: London – Paris – New York, darunter darf es nicht bleiben. Hoffentlich geht vor lauter musicalischen und festivalischen Highlights nicht an anderen Stellen das Licht aus. Die freie Szene schätzt Radunski zwar als Magnet für „Heerscharen von Rucksacktouristen“ im Sommer, noch ungeklärt ist allerdings, ob er ihr auch eine Relevanz innerhalb der Stadt beimißt.

Und das Wissenschaftsressort will Radunski so verwalten, daß es eine „Freude sein werde“, hier zu studieren. Das wird ein Kunststück erfordern, denn die Doppelung von Studiengängen abzuschaffen ist vereinbart, und am Mittwoch protestierten schon StudentInnen der Hochschule der Künste auf dem Kurfürstendamm mit den Worten „Der Senat frißt uns auf“ gegen die Schließung ganzer Fachbereiche.

Um seiner Doppelaufgabe gerecht werden zu können, setzt Radunski auf Aufgabenteilung. Für jedes seiner Ressorts will er sich einen verantwortlichen Staatssekretär bestellen. Der Senator als ein später Knabe Wagenlenker, der nicht jeden Stolperstein kennen muß und doch die Zügel in der Hand behalten kann. Daß der – noch nicht berufene – Kulturattaché aus den Reihen der Kulturschaffenden selbst kommen soll, ist eine gute Idee, und wird zusätzlich helfen, die leicht angespannte Stimmung zu verbessern.

Denn CDU-Fraktionschef Klaus-Rüdiger Landowksy hat Radunksi noch vor seiner Nominierung direkt in den Fettnapf gekantet. Radunski sei der ideale Kandidat, habe ein „inneres Verhältnis“ zur Kulturszene und auch Zugang zum Rat für die Künste, tönte Landowsky. Woraufhin der Rat ein säuerliches Fax schickte, in dem er betonte, Radunskis Qualifikation in dieser Sache gar nicht kennen zu können, weil der Herr Radunski trotz entsprechender Bitte und anders als alle anderen gebetenen Politiker im vergangenen Jahr nicht zu einem Gespräch mit dem Rat bereit gewesen sei. Indes, sich als Kulturpolitiker beim Rat für die Künste beliebt zu machen, ist so schwer nicht. Schließlich hat sich dieser Zusammenschluß Berliner Kulturschaffender Optimismus und Pragmatismus verordnet. Man wird sich arrangieren.

An den Zirkusplatz im Herzen der Stadt zu glauben, wäre naiv. Alles andere jedoch ist offen, und die Lage nicht schlecht. Der letzte Kultursenator, Ulrich Roloff-Momin, war von der SPD nominiert, die erstens die schwächere Partei im Senat war und ihn außerdem nicht sonderlich unterstützte. Das hat der Berliner Kultur geschadet. Da die CDU nun leider immer noch die stärkste Partei ist, kann man jetzt wenigstens einen der Ihren in die Pflicht nehmen. Ein gute Ausgangsposition ist auch, daß die Kultur mit einer nur fünfprozentigen Sparauflage in der Koalitionsvereinbarung gut weggekommen ist. Und daß schwarz auf weiß ein Hauptstadtvertrag Kultur mit der Bundesregierung angestrebt wird, demzufolge bis zu 70 Prozent der Etats einzelner Institutionen vom Bund finanziert werden. Das ist überfällig. Denn bevor Berlin mit Paris oder London verglichen werden kann, sollte doch zumindest eine Gleichbehandlung mit der nordrhein-westfälischen Stadt Bonn erreicht sein. Petra Kohse

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