Uschi und Heinz. Helga und Klaus ...

...Heike und Frank: Partnervermittler bringen sie zusammen. Neben West-Agenturen machen in den neuen Ländern Seiteneinsteiger vom Wohnzimmer aus ihre Geschäfte mit dem großen Glück  ■ Aus Sachsen-Anhalt Steve Körner

Der Mann ist ja ursprünglich aus der Filmbranche. „Also völlig artfremd“, sagt er. Reinhard Jendryschik, 54, weißes Hemd, goldene Krawattennadel, sehr nett. Bis vor fünf Jahren war er „Themenverantwortlicher“ in der Orwo-Filmfabrik der DDR-Chemiehauptstadt Wolfen. „Aber den Traum, sich selbständig zu machen“, erzählt er, der mit Frau und Kind im Parterre eines Reihenhauses lebt, „hatten wir schon in der alten Zeit. Bloß war da ja nicht viel möglich, wenn man nicht gerade Bäcker war.“

Nun aber war die neue Zeit. Orwo-Farbfilm wurde nicht mehr gebraucht, desgleichen der Themenverantwortliche. Kleine Biographiebrüche im großen Zeitenriß. Gedrängt von den äußeren Umständen und angetrieben von dem Willen, sich „nicht kaputtmachen“ zu lassen, probierten der Chemiker und seine Frau Heike „so ziemlich alles“: Versicherungen, Videoverleih, Meinungsforschung. Dann erst kam die Idee mit der Partnervermittlung. „Wir hatten im Westen gesehen, daß dort in jedem Nest so ein Institut saß.“

In der DDR machten das Geschäft mit der Einsamkeit allein die Dienstleistungskombinate. Für sechzig Mark gab es sechs Monate lang Partnerangebote, soviel das staatliche Angebot abwarf. Die Dienstleistungskombinate wurden abgewickelt. Und „die Gesellschaft hat sich ganz neue Werte gesucht“, analysiert Jendryschik klingenscharf: „Keinen mehr an sich ranlassen, abschotten, anonym bleiben.“ Und niemand mehr, der sich der geheimen Sehnsüchte jener Menschen annahm, von denen es allein in den neuen Bundesländern drei Millionen geben soll.

Im Sommer 1991 entsteht die „Partnervermittlung Jendryschik“. In Wolfen sind die beiden Existenzgründer die ersten im Handel mit dem Glück. Und auch die ersten, die „gewieften Ratgebern“ in die Hände fallen. „Um die 10.000 Mark“, gibt Jendryschik an, habe sie der Versuch gekostet, bei einer bayerischen Agentur einzusteigen. „Die Herren da unten“, schimpft Jendryschik, erfolgsmenschmäßig zurückgelehnt in den heimischen Couchsessel, „hatten keine Ahnung von unserer Mentalität.“ Mit „4.000 Mark teuren Verträgen“ hätten die ihn auf die Kunden loslassen wollen. „Das kannst du mit 'nem bayerischen Bauern machen. Aber mit einem arbeitslosen Bitterfelder?“

Jendryschiks versuchten es auf eigene Faust. Heute haben sie vier Filialen, mehrere tausend Kunden in der Kartei und 300 erfolgreiche Vermittlungen hinter sich. Die Brust des 42jährigen ist stolzgeschwellt. Keine Klagen? Keine Klagen.

„Den Ärger machen immer nur die Großen“, bestätigt Margit Dörge von der Verbraucherzentrale. Immer dieselben Schlagzeilen. Geprellter Liebeshunger, leere Glücksversprechen und geplatze Kredite. Agenturen wie die in Hamburg beheimatete VIP und die IPEA, meinen die Verbraucherzentralen, zocken vor allem rechtsunkundige Ostdeutsche ab: Profiteure des neuen Zeitalters, in dem die „klassischen Plätze der Begegnung für die ehemaligen DDR-Bürger immer mehr an Bedeutung verlieren“, wie eine Studi der Uni Münster mutmaßt. Kein Arbeitskollektiv mehr, in dem man sich allmählich näherkommt. Das Volkskunstkollektiv zerschlagen, der Ersatzteil-Tauschring aufgelöst. Der „Tanz für Alleinstehende“ fiel sowieso schon lange aus. „Bindungswillige“, wie Partnervermittler ihre Klientel frostig nennen, bleiben so ungebunden – und das je mehr, je weniger sie dem medial geprägten Bild der Makellosigkeit entsprechen. „Männer ohne Arbeit, Frauen mit Kindern, Männer vom Dorf, das sind so unsere Ladenhüter“, gesteht auch Petra Mühl, die Chefin der Partnervermittlung „Jadacan“ im sachsen- anhaltinischen Halle. Petra Mühl ist seit 1991 dabei. „Ich kam aus dem Babyjahr“, erzählt die ehemalige Barfrau, „und sie hatten meine Bar geschlossen.“

Damals erinnerte sich die 31jährige kurzerhand, „daß du hinter dem Tresen immer auch ein bißchen Seelentröster und Kupplerin bist“. Und machte eine Partnervermittlung auf. „Alles andere“, versichert sie, „geht ganz von allein.“ Auf Anzeigen melden sich einsame Herzen, für die werden wieder Anzeigen geschaltet, auf die hin wiederum sich noch mehr einsame Herzen einfinden. „Meine Aufgabe ist bloß noch“, erklärt die Jadacan-Chefin, „den richtigen Mann mit der richtigen Frau zusammenzubringen.“

Wie das zu geschehen hat, ist unter den „Instituten“ durchaus strittig. Die einen organisieren Hausbesuche, andere beschränken sich darauf, Adressen zu verteilen. „Ob die dann zusammen in die Sauna gehen, ist mir doch egal“, behauptet ein Vermittler aus Halle, der von seinem Chef aus Leipzig keine Sprecherlaubnis bekommen kann: Mit der Größe des Instituts wächst auch das Mißtrauen.

Am größten unter den rund 1.500 in Deutschland tätigen Agenturen ist die „Visuelle Individuelle Partnervermittlungs GmbH“, beziehungsreich VIP genannt. Mit einem Jahresumsatz von 30 Millionen Mark gilt VIP als Branchenführer. Das Erfolgsgeheimnis der Firma sind Kennenlern-Videos, auf denen jeder klein, aufgeregt und verschwitzt wirkt. Eine Vermittlung durch die VIP kostet entschieden mehr als die eines gewöhnlichen Instituts, ohne deshalb erfolgreicher zu sein. Doch gerade im Osten lieben die Menschen es elektronisch. Das große Glück kommt aus dem Computer.

„Alles Quatsch“, winkt Petra Mühl ab, „mit Video oder ohne – an den Chancen ändert das nichts.“ Frauen kämen vor allem ab 40 aufwärts, Männer hauptsächlich zwischen 25 und 35, hat die Vermittlerin gezählt. „Frauen wollen Männer aus dem Westen, weil die bessere Manieren haben.“ Männer aus dem Westen dagegen wollen Ost-Frauen ohne Kinder. Nicht rauchen sollen die und häuslich sein und anschmiegsam und treu. Männer suchen immer die große Liebe und „materielle Sicherheit“ dazu. Frauen auch. „Aber in anderer Reihenfolge“, lächelt Frau Mühl matt.

Und heiraten mag kaum noch jemand. Neunzig Prozent aller „Vermittlungswilligen“ kommen geradewegs aus einer geschiedenen ersten bis dritten Ehe: „Die suchen dann keinen Partner“, beschreibt Reinhard Jendryschik deren Seelenlage, „sondern einen Ersatzpartner.“

Dazu ist vielen jedes Mittel recht. „Wie Leute sich selbst beschreiben“, meint Jendryschik, „hat mit der Wirklichkeit wenig zu tun.“ Das wissen alle. Eine Frau, nach eigener Meinung „blond, gut gebaut, hübsches Gesicht“, bat bei „Jadacan“ um Besorgung eines Gefährten, der „schwarzes Haar, blaue Augen und eine gutbezahlte Arbeit“ haben sollte. „Jetzt schau' ich mir die Frau an“, seufzt Petra Mühl in gespielter Verzweiflung, „da hatte die eine Figur wie ein Baum!“ Die nette Frau Mühl ist empört.

„Unter uns: Wir können dem Frosch keine Prinzessin und dem häßlichen Entlein keinen Prinzen besorgen“, sagen die Vermittler. In der alten Zeit, als im Süden Sachsen-Anhalts nur eine Handvoll Agenturen wirkte, sagten sie das sogar laut. „Die Leute müssen schon mal ehrlich mit sich selbst sein“, rät Petra Mühl. Sonst gelten sie bei ihr als „nicht vermittelbar“. Ein Luxus, den sich nicht alle leisten.

Auf dem zwischen „Interpart“, „Bunge- PV“ und „Happy End“ schwer umkämpften Markt behält man die Sache mit dem Frosch und der Prinzessin heutzutage lieber für sich. Routiniert verpacken die Vermittlungsprofis Schwächen und Stärken der Kundschaft in den immer gleichen Sammelanzeigen-Singsang: Jede „Gudrun, 28, mag Wald und Blumen und bald vielleicht auch dich“ spielt Lockvogel für ein Dutzend Leidensgefährtinnen. Jeder „Er, 21, dunkelhaarig, etwas vermögend“ steht für einen ganzen Haufen „Kater ohne Kätzchen“.

Aber die „Ich bin die Sonja, 22, langbeinig“ kennenzulernen, fällt dann schon schwerer. Die Adresse der Frau, die „Weihnachten nicht mehr allein“ sein wollte, wird nicht verraten. Man komme nur schnell selbst vorbei! In Dessau wartet dann Frau Annegret in einem Büro im zweiten Stock, das zugleich als Wohnzimmer dient, und bedauert, daß Fräulein Sonja „leider schon in festen Händen“ sei. Doch Frau Annegret, die die Geschäfte einer niedersächsischen Vermittlungsagentur führt, 52 ist und früher Bäckerin war, hat Trost parat: Ein Vermittlungsvertrag zu 4.233 Mark, Laufzeit ein Jahr, zwölf Vermittlungen garantiert, Ratenzahlung möglich. Frau Annegret guckt flehend. 5.000 Mark Kaution, erzählt sie später, habe sie für den „Know-how“-Transfer aus Niedersachsen vorgeschossen. Zwei Drittel ihrer Einnahmen gehen für Namensüberlassung, Werbedesign und Beratung an das Mutterunternehmen. Dafür kommt ab und an ein Umschlag voller Allerweltsanzeigentexte mit der Post. Den Vertrag unterschrieben zu haben, hält Frau Annegret heute für einen „ganz schlimmen Fehler“. Sie „würde das nie wieder machen“.

Hinter sich an einer altarähnlichen Pinnwand hat sie wie zur Seelentröstung ihre „Vermittlungen“ aufgehängt: Uschi und Heinz. Helga und Klaus. Frank und Heike. Ossis und Wessis. Alte und Junge. Dicke und Dünne. 32 zusammen. Und die Sonja mit den schönen langen Beinen, wenn es sie denn gibt, kommt bestimmt bald dazu. „Manche laden mich sogar zur Hochzeit ein“, freut sich die plötzlich ganz mütterlich wirkende Vermittlerin. Manchmal kommt später noch ein Foto vom gemeinsamen Nachwuchs. „Dann fühl' ich mich“, sagt Frau Annegret fröhlich, „ein bissel wie die Oma.“