Türken im Bündnis für Arbeit

Mit wenig Geld Unternehmensgründungen fördern und Arbeitsplätze schaffen. Programm für ausländische FirmengründerInnen in NRW  ■ Aus Essen Ralf Köpke

Henry Ford, Urvater der Fließbandproduktion, hätte seine helle Freude an diesem Anblick gehabt: In Reih und Glied spuckt die Teigwickelmaschine ihre 500 Gramm schweren, ziemlich gleichförmigen Knetprodukte auf zwei Laufbänder aus. Knapp 2.500 Fladenbrote entstehen so stündlich in der Bereket-Brotfabrik in Bochum-Wattenscheid. 20.000 Brote, darunter auch mehrere hundert Weizen- und Roggenlaibe, sind es jeden Abend, die dann die eigene Lkw-Flotte bis ins Sauerland und vor die Tore Hamburgs ausliefert.

Demnächst sollen es noch viel mehr sein. „Wir haben hier jetzt Platz genug, um bei steigender Nachfrage mit zusätzlichen Backkanälen die Produktion auf etwa 100.000 Brote zu erhöhen“, sagt Ahmet Yavuz, einer der drei Bereket-Gesellschafter. Bereket sei von Dortmund nach Bochum umgezogen, da die frühere Betriebsstätte zu klein wurde. Etwa sieben Millionen Mark hat die Firma investiert. Den Ausbau haben die türkischen Selfmade-Unternehmer aber nicht mit teueren Krediten bezahlt, sondern zum größten Teil mit öffentlichen Mitteln.

Der entscheidende Tip kam von Çigdem Akkaya, der Frau des Betriebsleiters Öner Akkaya. Als Mitarbeiterin des Zentrums für Türkeistudien (ZfT) in Essen ist die Diplomökonomin mit dem Modellprojekt „Regionale Transferstellen für die Integration ausländischer Unternehmen in Nordrhein-Westfalen“ bestens vertraut. Mit dem Modellprojekt versuchen das ZfT und das NRW-Wirtschaftsministerium seit Beginn 1994 Existenzgründungen von im Lande lebenden Ausländern zu erleichtern. Vier Beratungsbüros gibt es mittlerweile in Hückelhoven (bei Aachen), Bielefeld, Duisburg und Dortmund. Für deren Arbeit gibt NRW bis 1998 etwa 2,5 Millionen Mark aus.

Die Aufgabe der Transferstellen erklärt Sahin Söylemez, Leiter des Duisburger Büros, so: „Wir verstehen uns als Pfadfinder, um den Existenzgründern einen Weg durch den Dschungel der bestehenden Förderprogramme und -töpfe von Bund, Land und Europäischer Union zu weisen.“ Die Berater, so Söylemez' Erfahrung, würden von den Jungunternehmern immer wieder als erste Anlaufstellen „bei Problemen aller Art“ in Anspruch genommen.

Für ZfT-Geschäftsführer Andreas Goldberg ist dieses Förderprogramm „eine logische Entwicklung, da sich immer mehr Ausländer der zweiten und dritten Generation entscheiden, in der Bundesrepublik zu bleiben“. In Nordrhein-Westfalen haben sich vor allem Türken für das Beratungsangebot interessiert.

Sie stellen, sowohl bundesweit, als auch in NRW, die größte Ausländergruppe (1,9 Millionen beziehungsweise 670.000). Schon 37.000 türkische Unternehmen gab es Ende 1993 im Bundesgebiet, deren Gesamtumsatz bei 31 Milliarden Mark lag. In NRW sind 12.000 türkische Betriebe tätig. Sie erwirtschafteten im gleichen Geschäftsjahr 11 Milliarden Mark, investierten 3 Milliarden Mark und schufen im Laufe der letzten Jahre insgesamt 44.000 neue Arbeitsplätze.

Goldberg beobachtet einen „Existenzgründerboom von Türken“. „Wer heute den türkischen Selbständigen nur noch mit dem Kebabbudenbesitzer, dem Krauter an der Ecke oder dem Restaurantinhaber verbindet, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt.“ Verstärkt gebe es Neugründungen in der Computer-, Mode-, Reisebranche oder bei ambulanten Pflegediensten.

Das Bundesland Nordrhein- Westfalen profitiert davon gleich in doppelter Weise: Das eine sind die Arbeitsplätze und Investitionen vor Ort; Investitionen, die steigen werden. Bis zum Jahr 2000 rechnet das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung in Essen mit etwa 300.000 selbständigen Ausländern in den „alten“ Bundesländern (1995: etwa 62.000). Es profitiert aber auch das „Exportland“ NRW. „Das Förderprogramm spricht sich in der Türkei schnell rum“, weiß Andreas Goldberg, „solche Aktivitäten sind ein gutes Entrée für Aufträge und Joint-Ventures.“ Kein Zufall war es, als beim deutsch-türkischen Kooperationsforum Umwelttechnik in Ankara vor allem Vertreter von nordrhein-westfälischen Firmen auf der Referentenliste standen.

Karl Kremers, Projektbetreuer im Düsseldorfer Wirtschaftsministerium, ist entsprechend zufrieden: „Das Programm ist wirklich gut angenommen worden, was für die nächsten Jahre hoffen läßt.“ Kremers kann dabei auf einen Trend setzen: Da die Selbständigenquote der Ausländer noch deutlich unter der Zahl der Deutschen liegt, erwarten Wirtschaftsforscher eine Angleichung: Immer mehr Ausländer und Deutsch- Türken werden zum „Chef“.