Roulette mit Steuern und Sozialabgaben

■ Rexrodt will Arbeitnehmer mehr belasten. Die SPD ist gegen Kürzungen

Berlin (AFP/taz) – Nach der Grundsatzeinigung von Bundesregierung und Tarifpartnern über ein „Bündnis für Arbeit“ sind gestern die konkreten Maßnahmen der Bonner Koalition für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Mittelpunkt der Debatte gerückt. In ihrem angekündigten Aktionsprogramm will die Bundesregierung Presseberichten zufolge unter anderem die derzeitige Arbeitnehmerpauschale bei der Lohnsteuer von 2.000 Mark im Jahr auf 1.000 Mark senken. Das Maßnahmenpaket von Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) soll morgen im Bonner Wirtschaftskabinett beraten werden.

Nach einem Bericht der Berliner Morgenpost sieht Rexrodts Maßnahmenpaket auch vor, die Entfernungspauschalen zu reduzieren. Dies und die Kürzung bei den Arbeitnehmer-Pauschbeträgen bringe jährlich eine zweistellige Milliardensumme. Erneut hieß es, daß auch Zuschläge für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit voll besteuert werden sollten.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) forderte gestern geringere Unternehmenssteuern, um das Bündnis für Arbeit zu konkretisieren. BDI-Chef Henkel bedauerte, daß in dem Entwurf konkrete Aussagen über die Steuer- und Abgabenquote fehlten. „Hier gibt es große weiße Flecken.“ Eine Senkung der Lohnnebenkosten sei unverzichtbar, um Arbeitsplätze zu schaffen.

DAG-Chef Roland Issen hob im Kölner Express dagegen hervor, in den Bonner Maßnahmenkatalog dürften keine weiteren Sozialkürzungen aufgenommen werden. Er äußerte die Erwartung, „daß es keine Sozialkürzungen à la Rexrodt geben wird“.

SPD-Chef Oskar Lafontaine bezeichnete die Bündnis-Erklärung der Bundesregierung als unbefriedigend für die Betroffenen. Er warf der Koalition im Deutschlandfunk vor, Maßnahmen wegen ihrer Zerstrittenheit zu verzögern und nur Absichtserklärungen abzugeben. Lafontaine erklärte, weitere Sozialkürzungen führten zu immer größeren wirtschaftlichen Problemen. Am Abend zuvor hatte Lafontaine allerdings gefordert, unverzüglich über eine Senkung der Lohnnebenkosten zu verhandeln.

Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Rudolf Scharping, forderte in einem Interview mit dem Express, alle Steuervergünstigungen abzuschaffen. „Baut die Bürokratie ab, senkt die Steuersätze und schafft alle Vergünstigungen ab!“ riet Scharping. Die grüne Vorstandssprecherin Krista Sager protestierte dagegen, im Gefolge des Bündnisses die Öko- Steuerreform „klammheimlich“ zu beerdigen. BD