Saddams Bombe made in Germany

■ Allgäuer Ingenieur lieferte Irak Pläne zur Uran- anreicherung. Internationaler Haftbefehl ausgestellt

Berlin (taz/AP) – Bei seinen Plänen für den Bau einer eigenen Atombombe konnte der Diktator des Irak, Saddam Hussein, auf Hilfe aus der Bundesrepublik zurückgreifen. Ein deutscher Ingenieur verkaufte 1991 dem Irak die Pläne für den Bau einer Gaszentrifuge, mit der der Irak offenbar Uran aus Atomreaktoren zu atomwaffenfähigem Material anreichern wollte. Nach Erkenntnissen der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) in Wien hat der Atomfachmann, der aus Kaufbeuren im Allgäu stammen soll, dem Irak noch vor dem Golfkrieg sein Wissen über die Urananreicherung mit der Gaszentrifugentechnik zur Verfügung gestellt. Diese Technik, sagte IAEO-Sprecher David Kyd, sei das Herzstück des irakischen Atomprogramms gewesen.

Einer Meldung der Bild-Zeitungen zufolge soll der Mann, der mittlerweile von Interpol mit internationalem Haftbefehl gesucht wird, auch in den geheimen Atomanlagen des Irak gearbeitet haben. Bundesanwaltschaft und Bundeskriminalamt wollten sich gestern auf Anfrage zu dem Fall „wegen der laufenden Ermittlungen“ nicht äußern. Mehrere Nachrichtenagenturen berichteten mit Berufung auf Sicherheitskreise, daß der Ingenieur untergetaucht sei. Sein Aufenthaltsort wurde mit Brasilien oder Bagdad angegeben.

Der gesuchte Ingenieur arbeitete für die Firma „Urenco“. Sie ist die Muttergesellschaft der drei Urananreicherungsanlagen in Gronau, Almelo und Capenhurst, die zusammen eine jährliche Kapazität von 3.450 Tonnen Urantrennarbeit haben. Anteilseigner sind der niederländische Staat, die staatliche British Nuclear Fuels sowie aus Deutschland die Stromkonzerne RWE und PreussenElektra.

Urenco-Direktor Klaus Peter Messer bestätigte inzwischen „im wesentlichen“ die Berichte: „Das Leck lag nach allem, was wir heute wissen, bei einem Lieferanten.“ Ein Mitarbeiter einer deutschen Zulieferfirma habe in dieser Sache bereits in Deutschland vor Gericht gestanden, sei aber freigesprochen worden. Im November habe die IAEO nun weitere Zeichnungen entdeckt, „die auf die Zentrifuge Bezug nehmen“. Ob die Unterlagen, „die unsere Technik beschreiben“, kopiert oder aber von einem Spezialisten aus dem Gedächtnis erstellt wurden, sei offen.

Auch nach Ende des Golfkrieges 1991 blieb der Atomspion unentdeckt – bis zur Flucht von Saddam Husseins Schwiegersohn Hussein Kamil nach Jordanien im August 1995. Aus Angst vor Enthüllungen habe Saddam Hussein anschließend die Flucht nach vorn angetreten und seinen Schwiegersohn beschuldigt, in eigener Regie das irakische Rüstungsprogramm betrieben zu haben. Zum Beweis habe er den UN-Inspektoren Geheimpapiere übergeben, aus denen die Rolle des deutschen Ingenieurs beim irakischen Atomprogramm hervorgegangen sei. wg