Mitten aus dem Leben, mitten ins Herz

■ Hingebungsvolle Verarschung: Der Kabarettist Bernd Vogel ist „Der Nackte Teutone“

Jeder, wirklich jeder kriegt sein Fett ab: der Typ und seine Männergruppe, die Lebenspartnerin und ihre beste Freundin, der sich besser Bedienende, die Rinder und ihr Wahnsinn, die Berliner und ihr Männerhaus, Angela Merktnichts und fast sämtliche Politikergestalten, die Volkshochschule und ihre Bewußtwerdungsseminare, der „Lauschangriff“, die Telekom und ihre Gebührenreform – „weil jetzt mehr als zwei zuhören können, wird die Einheit billiger“ –, Gretl Schreinemakers, der Wessi und der Besser-Ossi, der Penner, der Fleischfresser, die Loserin, alle, die Lohn verursachen und ihn nicht bezahlen wollen, der Schlips- und der Sweatshirtträger und andere und weitere . . .

Mitten aus dem Leben holt Bernd Vogel seine Kabarett-Ideen und trifft damit mitten ins Schwarze, häufig auch ins Herz. Dabei beherrscht er die Kunst des zur Zeit ein wenig vernachlässigten politischen Kabaretts genauso wie die der bösartigen, unterhaltsamen Spötterei, der Selbstverarschung und des flachen Ulks. Das bewies der gebürtige Hesse, der so gern mit seiner provinziellen Herkunft kokettiert und so wunderbar babbelt, am Donnerstag abend bei der Premiere seines neuen Programms Der Nackte Teutone in der SchlapplacHHalde.

Als gelernter und erfahrener Schauspieler schlüpft Bernd Vogel voller Hingabe in die verschiedensten Rollen, ist dabei immer glaubwürdig und behält doch den nötigen Abstand zur unbarmherzigen Realität. Und woher nimmt der Mensch eigentlich diese irrsinnige Energie?

Auch an Spontaneität fehlt es dem Kabarettisten übrigens überhaupt nicht. Selbst mit der recht jämmerlichen Publikumssituation wußte er mit Witz und Frechheit umzugehen. Was die Interaktion zwischen Sprecher und Angesprochenen anging, entschuldigte er sich: „Nehmen Sie's nicht persönlich. Weil nur so wenige hier sind, kriegt eben jeder einzelne mehr ab.“ Einen Kommentar zum begeisterten, aber doch recht dünnen Schlußapplaus nach zwei Stunden Dauerstreß auf der Bühne und im Saal ließ er sich auch nicht nehmen: „Wenn mehr Leute gekommen wären, würde ich jetzt noch häufiger rein- und rauslaufen. Aber bei zehn Zuschauern spare ich mir das“ – und brachte eine köstliche Zugabe.

Mehr Zuschauer verdient Bernd Vogel, und mehr Leute haben sein Kabarett verdient. Also hin, wenn er heute abend vorerst zum letzten Mal in Hamburg den Nackten Teutonen gibt.

Nele-Marie Brüdgam

SchlapplacHHalde, 20.30 Uhr