Weder minderwertig noch gefährdet

■ Sozialsenatorin Helgrit Fischer-Menzel über Flüchtlingsheimen: „Unterkünfte sind angemessen“

taz: PolitikerInnen tauchen meist dann in Asylbewerberheimen auf, wenn gerade etwas passiert ist. Wann waren Sie zuletzt in einer Unterkunft?

Helgrit Fischer-Menzel: Das war vor etwa drei Monaten, in einem Pavillondorf.

Hatten Sie den Eindruck, daß diese Sammelbehausung sicher ist?

Die Frage der „Sicherheit“ muß man unter zwei Aspekten betrachten. Auf der technischen Seite betrifft das die Ausstattung. Die Auflagen der Feuerwehr sind sehr hoch und werden regelmäßig überprüft.

Und jenseits der technischen Sicherheit?

Nach dem Brand in Lübeck stellt sich wieder die Frage, ob es so etwas gibt wie menschliche oder gesellschaftliche Sicherheit. Und da bin ich in Hamburg zufrieden. Wir haben es geschafft, für jedes Pavillondorf und die meisten Containerdörfer Unterstützergruppen und Freundeskreise zu finden.

Sie sagen „Wir haben das geschafft.“ Ist das Ihr Verdienst?

Mit „wir“ meine ich die Hamburger insgesamt. Wir als Behörde haben daran natürlich auch einen Anteil.

Wenn man in die Pavillondörfer kommt, hat man den Eindruck, daß dort nie jemand ist, der die Menschen offiziell betreut.

Das ist ein vollkommen falscher Eindruck. Wir haben Unterkunftsleiter, Sozialarbeiter und Dolmetscher.

Ihr Parteikollege, der Lübecker Bürgermeister Michael Bouteiller, hat zur Auflösung der Massenunterkünfte und zum zivilen Ungehorsam aufgefordert. Teilen Sie diese Einstellung?

Nein. Die Reaktion ist emotional verständlich, in ihrer Zielrichtung jedoch falsch. Viele Flüchtlinge sind vorübergehend hier, manche auch illegal. Da kann man nicht einfach zum Rechtsbruch aufrufen und durchsetzen wollen, daß sie alle hierbleiben. Das gefährdet den Rechtsstaat und erweckt falsche Hoffnungen.

Die Kasernierung von Flüchtlingen in Lagern ist von Ihnen also gewollt und gewünscht?

Ihre Begrifflichkeit billige ich nicht. In Pavillondörfern sind in der Regel 250 Menschen untergebracht. Niemand in Hamburg sieht diese Unterkünfte als minderwertig an. Es gibt sogar Vorschläge, sie später als Studentenheime zu nutzen. Hotels und Pensionen, die nur mit wenigen Flüchtlingen belegt sind, sind den Pavillon- und Containerdörfern vom Standard und der Infrastruktur her weit unterlegen. Wo Menschen gleicher Herkunft zusammenwohnen, können sie sich außerdem gegenseitig stärken.

Flüchtlinge haben nicht viele Rechte, aber ein Recht auf Schutz. Haben Sie sich einmal jenseits der Technik nach deren subjektivem Sicherheitsgefühl erkundigt?

Wir haben 25 000 Menschen in öffentlicher Unterbringung und sind in den vergangenen Jahren gut damit zurechtgekommen. Die Hamburgerinnen und Hamburger zeigen Akzeptanz und Toleranz. Das ist auch ein Punkt, der die subjektive Einschätzung beeinflußt. Trotzdem verstehe ich Verunsicherung nach Ereignissen wie in Lübeck, Mölln und Solingen.

Kritiker bezeichnen die isolierte Lage vieler Sammelunterkünfte als „Einladung“ für Rechtsradikale. Was können Sie dieser Kritik entgegenhalten?

Wir haben viele Unterkünfte in zentraler Lage. Ich glaube nicht, daß die Gefährdung abhängig ist von ihrer Lage.

Wenn Sie die Flüchtlingsunterbringung ohne Rücksicht auf Sachzwänge organisieren könnten – was würden Sie verändern?

Die Unterbringung von Flüchtlingen ist eine Unterbringung auf Zeit. Ich glaube, daß wir unter dieser Voraussetzung größtenteils gute Lösungen gefunden haben. Einige Containerdörfer, die zu weit außerhalb liegen, werden wir – wenn die Not und der Druck nachlassen – abbauen. Ansonsten halte ich die Unterbringung für angemessen.

Die Betroffenheit ist nach Ereignissen wie in Lübeck immer groß. Welche Taten lassen Sie jetzt in Hamburg folgen?

Für mich ist die Reaktion in „der Woche danach“ nicht das Wichtigste, sondern daß es einen menschlichen Umgang auf Dauer miteinander gibt. Und den kann man man nicht dadurch herstellen, daß man nach einem Brandanschlag einmalig einen Runden Tisch installiert. Wir brauchen eine mitmenschliche Grundhaltung in der Gesellschaft, die Anschläge verhindert.

Häuser, Pensionen und Hotels, in denen ausschließlich AusländerInnen wohnen, gibt es auch in Hamburg. Was können Sie für die Sicherheit der BewohnerInnen tun?

Wie schon gesagt, man darf beim Thema Sicherheit nicht nur die technische Sicherheit – Wachdienste und ähnliches – im Auge haben. Dies würde bloß zu einer Ghettobildung führen, und von dieser Vorstellung bekomme ich Beklemmungen. Es muß Normalität geben. Ich denke, daß wir alle verantwortlich sind für die Sicherheit der hier lebenden AusländerInnen. Sie haben den gleichen Anspruch auf Sicherheit wie die Deutschen. Fragen:

Silke Mertinsund Stefanie Winter