Nachgefragt
: „Die Situation ist ziemlich grotesk“

■ Susanne Paas, Sprecherin Beirat Mitte

taz: Auf dem Ostertorsteinweg und Vor dem Steintor fahren die Autos wieder wie eh und je. Hat die Polizei mit der Durchsetzung des Durchfahrverbots versagt?

Susanne Paas (Sprecherin des Beirats Mitte/Östliche Vorstadt): Die Polizei hat nicht versagt. Wer versagt hat, das sind diejenigen, die verantwortlich sind, solche Verbote duchzusetzen.

Das ist doch die Polizei.

Die Polizei hat Anweisungen, sich da nicht einzumischen. Die Beamten stehen da und sehen den Autos zu. Aber umgekehrt ist es vorgekommen, daß Menschen, die Autos aufhalten wollten, mit Nötigungs-Anzeigen nach Hause gegangen sind.

Wie fühlt sich die Sprecherin eines Beirats, mit dessen Beschlüssen so umgegangen wird?

Die Situation ist ziemlich grotesk. Das nennt man fälschlicherweise einen rechtsfreien Raum. Dabei ist der Raum gar nicht rechtsfrei, es besteht ein Durchfahrverbot.

Es hat ja aber auch etwas Anarchistisches und damit Sympathisches, daß es in Bremen reicht, wenn ein Senator im Fernsehen sagt, das Durchfahrverbot wird zurückgenommen, und schon fahren alle Autos, wo sie es gar nicht dürfen.

Na ja, die gehorchen doch dem Senat – ob das so anarchistisch ist? Umgekehrt ist die Vision, daß zur Aufrechterhaltung Hundertschaften von Polizei notwendig wären, für eine Ostertorsche wie ich es bin auch nicht besonders verlockend.

Auf Druck des Einzelhandels ist ja schon vor Jahren darauf geachtet worden, die Straße so zu gestalten, daß man gar nicht den Eindruck bekommt, man beführe eine fußgängerzonenähnliche Straße. Das halte ich für einen großen Fehler.

Kann der Beirat die zurückgedrehten Verhältnisse jetzt nur noch akzeptieren?

Es gibt ganz viele Varianten und juristische Streitmöglichkeiten. Die Frage, für welche Straßenzüge der Beirat Entscheidungsrecht hat, ist überhaupt noch nicht juristisch eindeutig geklärt. Wir haben das natürlich prüfen lassen.

Aber was nützt eine Gerichtsentscheidung, wenn sich schon jetzt keiner mehr an das Auto-Verbot hält?

Richtig. Und da Beiräte entgegen anderslautenden Gerüchten nicht bekloppt sind – und Beirätinnen erst recht nicht –, muß es jetzt darum gehen, das Optimum aus dem, was es da gibt, herauszuholen. Wir müssen optisch deutlich machen, daß das eine Straße mit Vorrang ist für Fußgänger, Radfahrer und von mir aus Kundenverkehr. Wir müssen Fußwege verbreitern, Paletten rausstellen, Auflagen lockern usw.

Das Spiel hat jedenfalls gerade erst angefangen. Schließlich sind inzwischen auch die, die bisher nicht so gut organisiert waren wie die Kaufleute, aufgewacht. Da gibt es Straßenaktionen und Unterschriftensammlungen. Die Unterstützung für ein Viertel ohne Autoverkehr ist größer als viele denken.

Fragen: Dirk Asendorpf