Farbe Gold und Farbe Schwarz

Vor Super Bowl Nummer XXX im American Football zwischen Dallas und Pittsburgh spielt auch Rassismus eine Rolle  ■ Aus Washington Andrea Böhm

Mit den Dallas Cowboys verhält es sich wie mit Bayern München. Man kann sie nicht einfach nur mögen, weil sie gut spielen und schon ein paarmal Meister geworden sind. Wer die Dallas Cowboys mag, tut das, weil er andere ärgern will. Denn die Cowboys kommen aus Texas, was der amerikanischen Entsprechung des Freistaates Bayern am nächsten kommt; sie sind arrogant, siegessicher und reich. Nicht, daß es im amerikanischen Football wahrhaft arme Teams gäbe. Doch keine Mannschaft repräsentiert so schamlos die Philosophie, wonach für den Sieg nichts zu teuer sein kann. Sieben Millionen Dollar Jahressalär für Amerikas sportlichstes PR-Genie Deion Sanders, der pro NFL-Saison acht Spiele absolviert? Warum nicht.

Für Sanders – so viel sei für Football-Laien angemerkt – gibt es im deutschen Profisport keine Entsprechung. Zum einen weil niemand in zwei Profiligen (Sanders spielt Baseball und Football) reüssiert. Man stelle sich vor, Jürgen Klinsmann würde nicht nur für Bayern München, sondern auch für die Kölner Haie stürmen. Zum anderen gibt es östlich des Atlantiks vermutlich keinen Spitzensportler mit einem solch großen Mundwerk – und einer so großen Vorliebe für Goldschmuck. Womit für den Mann, der sich selbst „Prime Time“ (frei übersetzt: „Ich bin der Größte“) getauft hat, auch schon alles erklärt ist. „Die Leute haben diese Haßliebe zu mir entwickelt. Es gibt halt sofort Probleme, wenn die Farbe Gold auf der Farbe Schwarz scheint.“

Da mag „Mister Prime Time“ es sich zu einfach machen. Doch unfreiwillig hat er einen wunden Punkt der Super Bowl XXX getroffen, die am Sonntag zwischen den klar favorisierten Dallas Cowboys und den Steelers aus der Stahlarbeiterstadt Pittsburgh im „Sun Devil“-Stadion in Tempe im US-Bundesstaat Arizona ausgetragen wird. Auf den ersten Blick herrscht eitel Sonnenschein im Sonnenstaat, wo 200.000 Besucher im riesigen „interactive football themepark“ von Tempe und rund 180 Millionen Dollar an Einnahmen für den örtlichen Fremdenverkehr erwartet werden.

Doch im Vorfeld der Sportshow ist plötzlich das Thema Hautfarbe in den Vordergrund geraten. Bleiben wir fürs erste bei den Cowboys und ihrem Quarterback Troy Aikman, einem Weißen. Drei Tage vor dem Finale werden plötzlich Vorwürfe laut, Aikman lasse seinen Ärger über mißlungene Spielzüge gezielt an schwarzen Mannschaftskameraden aus. Aikman, dem man aufgrund von Meinungsverschiedenheiten mit Cowboys-Trainer Barry Switzer inzwischen Abwanderungsgedanken nachsagt, bestreitet das ebenso wie seine Mitspieler. Nun haben Quarterbacks des öfteren Grund, ungehalten zu sein – vor allem wenn ihre Vorderleute die Gegenspieler nicht daran hindern, ihre je 300 Pfund Lebendgewicht auf ebenjenen Quarterback zu werfen. Aikman hat inzwischen zwei lädierte Knie, einen kaputten Rücken und einen Wurfarm, der eher auf den Operationstisch als auf das Spielfeld gehört. Kein Wunder, daß er manchmal schreit, wenn er zum x-tenmal seine Knochen und Gelenke unter den Plastik-, Fett- und Muskelmassen eines Gegners knirschen hört. Da das Team aus Dallas zu 90 Prozent aus schwarzen Spielern besteht, ist die Wahrscheinlichkeit recht groß, daß Aikmans Zorn einen schwarzen Cowboy trifft.

Aber wie so oft im Leben zollen Menschen unsinnigen Behauptungen über ein wahres Problem mehr Aufmerksamkeit als dem Problem selbst. Womit wir bei den Pittsburgh Steelers wären – und ihrem „Defensive End“ Ray Seals. Seals geht in dieses Finale mit dem Gedanken, daß sein Cousin und Geschäftspartner Jonny Gammage am Sonntag auf der Ehrentribüne sitzen würde, hätte er ihm am 12. Oktober letzten Jahres nicht seinen Jaguar geliehen. Gammage wurde gegen zwei Uhr nachts auf dem Weg zu Seals' Haus von fünf weißen Polizisten gestoppt – angeblich, weil er mehrere rote Ampeln mißachtet hatte. Etwa zehn Minuten später lag der 31jährige, die Hände in Handschellen auf dem Rücken, tot auf der Straße. Die Autopsie ergab Tod durch Ersticken aufgrund „exzessiven Drucks auf Brustkorb und Hals“. Die beteiligten Polizisten behaupten, während der Festnahme seinen Oberkörper nicht berührt zu haben.

Vor einem Gericht in Pittsburgh ist inzwischen Anklage wegen fahrlässiger Tötung gegen drei der Polizisten erhoben worden. Und Ray Seals fragt sich so manches Mal, was wohl passiert wäre, wenn er in dieser Nacht in seinem Jaguar unterwegs gewesen wäre. Ein junger Schwarzer in teuren Kleidern in einem teuren Auto. Vielleicht sind die Polizisten Football-Fans und hätten ihn erkannt. Vielleicht nicht. „Ich bin selbst oft genug ohne Grund von der Polizei gestoppt und durchsucht worden, weil ich einen teuren Wagen fahre. Ich weiß von anderen Spielern, denen das passiert.“

Der Football-Spieler hat eine Zivilklage auf Schmerzensgeld gegen die Polizisten eingereicht. „Die werden dafür bezahlen.“ Sollten die Pittsburgh Steelers entgegen den Erwartungen von Experten, Fans und Buchmachern Super Bowl XXX gewinnen, hat Ray Seals erst das eine seiner beiden großen Ziele erreicht.