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Das Trojanische Pferd des Baugiganten

■ Augsburger Bürger wehren sich vehement gegen eine riesige Tiefgarage, die der Bauunternehmer Ignaz Walter der Stadt schenken will. Morgen ist Volksentscheid

Augsburg (taz) – Die Straßenränder sind bis auf den letzten Quadratzentimeter mit Plakaten zugeklebt. In den Haushalten türmen sich die Handzettel pro und contra „Walter-Garage“ und aus dem Lokalfunk dudeln Werbeslogans des zweitgrößten Bauunternehmers der Republik. Ignaz Walter, Prof. Dr. hc., will um jeden Preis seiner Stadt eine Tiefgarage schenken. Einen langen Straßenzug – vom Königsplatz bis zum Stadttheater – soll sie auf 395 Metern Länge dreistöckig unterkellern und 1.203 Pkws Platz bieten.

Morgen nun sind die Augsburger zu ihrem ersten Bürgerentscheid aufgerufen. Unterstützt wird der eigenwillige Bauunternehmer, der 12,5 Milliarden Mark Jahresumsatz macht und 45.000 Leute weltweit beschäftigt, von der CSU, vom Einzelhandelsverband, dem Bund der Steuerzahler, dem ADAC, aber auch den Eishockeyspielern und dem Präsidium des Augsburger e.V. Längst haben sich aber auch – wie bereits im Wahlkampf vor sechs Jahren, als Walter seiner Stadt schon einmal seine Garage schenken wollte – die Gegner formiert. Das „Forum Augsburg lebenswert e. V.“ und ein Aktionsbündnis von den Gewerkschaften über SPD und Grüne bis hin zu kirchlichen Organisationen und dem Bund Naturschutz haben zwischenzeitlich soviel Zustimmung erfahren, daß die CSU kurz vor der Abstimmung ganz erheblich verunsichert wirkt. Das Institut für Demoskopie Allensbach wurde von den Christsozialen geschwind noch beauftragt. Unter anderem fragten die Meinungsforscher: „Glauben Sie, daß der CSU das Bekenntnis zur Waltergarage schadet?“

Die Sorge ist nicht unbegründet. Denn der Baulöwe scheute nicht davor zurück, jüngst sein Gutshaus im Wasserschutzgebiet ohne Rücksicht auf baurechtliche Vorgaben zu sanieren. Erst die Androhung einer Versiegelung bremste den einflußreichen Tiefgaragen- Mäzen. Kritiker wie den obersten bayerischen Denkmalschützer Michael Petzet geißelte Ignaz Walter als „Pseudo-Denkmalschützer“. Das selbstgefällige Verhalten des Unternehmers ließ bei vielen Augsburgern immer mehr Zweifel aufkommen, ob dieser Mann im Falle des Tiefgaragen-Geschenkes auch tatsächlich die umfangreichen Bauauflagen einhalten würde. Immer wieder ist in jüngster Zeit in Augsburg auch zu hören, man gönne ihm ja seinen Gutshof und den geschäftlichen Erfolg. Aber Recht müsse Recht bleiben – auch für Ignaz Walter.

Die SPD plakatiert schon, daß die Augsburger selbst entscheiden möchten, „nicht der Millionär“. Unsäglich findet es Eva Leipprand vom „Forum Augsburg lebenswert“, daß „Herr Walter bezahlte UnterschriftensammlerInnen losgeschickt hat“ für seinen Bürgerentscheid. „Wir haben die gefragt und erfahren, daß sie sechzehn Mark die Stunde bekommen.“ Daß der Baugigant immer wieder auch seinen Firmensitz Augsburg in Frage stellt, empört das Aktionsbündnis und viele Augsburger ebenfalls. Auch inhaltlich haben die Garagengegner eine ganze Reihe von Bedenken angemeldet. Seit einem halben Jahr gebe es ein funktionierendes Parkleitsystem, das freie Tiefgaragenplätze schon an den Einfallstraßen anzeigt. Fast immer fände der Pendler ein Plätzchen. Außerdem würden laut Gutachten durch die neue Garage rund 12.000 zusätzliche Fahrzeugbewegungen pro Tag entstehen und dem öffentlichen Personennahverkehr etwa 4.000 Fahrgäste pro Tag entziehen. Darüber hinaus würde die Luftschadstoffbelastung im sowieso enorm verpesteten Augsburg weiter ansteigen. Eine Befürchtung, die auch der Baureferent Rudolf Saule teilt. Der Baufachmann steckt ganz schön in der Zwickmühle. „Ich habe als Chef der Bauverwaltung die Beschlüsse des Stadtrates zu vollziehen. Das tue ich loyal. Was anderes ist meine fachliche, persönliche Auffassung – und da habe ich in der Tat, vor allem was die verkehrsrechtliche und immissionsschutzrechtliche Seite angeht, meine erheblichen Bedenken, ob diese Garage in der Dimension und an der Stelle gebraucht wird und verträglich ist.“

Oberbürgermeister Peter Menacher (CSU) ist derweil auf Tauchstation gegangen. Vergeblich wird er aufgefordert, seine Mitarbeiter in der Bauverwaltung vor den Angriffen des Unternehmers Ignaz Walter zu schützen. Walter schaltet unterdessen Anzeigen: „Die Tiefgarage beeinflußt weder die Fuggerstraße noch die Innenstadt mit schlechter Luft oder gar Abgasen. Die Auswirkung der Walter-Garage auf die Umweltsituation in der City ist also nicht negativ, sondern positiv.“ Die Gegner bleiben freilich dabei: „Wir haben festgestellt, daß der geschenkte Gaul des Herrn Walter ein Trojanisches Pferd ist.“ Denn schließlich würde die Stadt bei diesem Geschenk auch noch auf „Restkosten“ von annähernd 20 Millionen Mark sitzen bleiben. Klaus Wittmann

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