Brandstifter nach Willen des Dorfes

Gericht revidierte Freispruch und verurteilte Silvio J. zu einer Jugendstrafe auf Bewährung wegen des Brandanschlags auf das Asylbewerberheim in Dolgenbrodt  ■ Aus Frankfurt (Oder) Annette Rogalla

Der Brandstifter von Dolgenbrodt muß nicht in den Knast. Das Landgericht Frankfurt (Oder) verurteilte Silvio J. gestern zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren, setzte sie aber auf drei Jahre zur Bewährung aus.

Ein ganzes Dorf war an der Brandstiftung beteiligt, ideell zumindest. Das Gericht sah es als erwiesen an, daß Silvio J. Geld fürs Zündeln bekommen hat. Die Gerüchte, die Dörfler hätten Geld gesammelt, konnten aber nicht erhärtet werden. Im Gegensatz zum ersten Verfahren vor der Jugendkammer Potsdam, zweifelte das Gericht nicht daran, daß Silvio J. den Willen der Dörfler vollstreckt hat und das ehemalige Kinderheim, in das auf sechs Monate begrenzt Asylsuchende einziehen sollten, in Brand steckte.

Dolgenbrodt wollte ausländerfrei bleiben. Systematisch putschten sich die Dörfler in jenem Oktober 1992 in eine fremdenfeindliche Stimmung. Nachdem der Landrat zehn Tage vor dem Brand die zukünftige Asylunterkunft inspiziert hatte, beauftragte er einen Wachschutz, ließ doppelten Nato-Stacheldraht um das Haus ziehen und die Fenster zur Straßenseite vergittern. Drei Tage später berieten die Dörfler: „Abfackeln, Straße sperren“, soll Silvio J. dabei vorgeschlagen haben. Nach dieser Dorfversammlung sei J. bei seinen Freunden mit der Idee hausieren gegangen, habe Flaschen gesammelt, mit denen er Molotowcocktails bauen wollte. Am Morgen nach dem Brand sei er bereits gegen neun Uhr beim Blumenhändler vorgefahren und mit einer Plastiktüte zurückgekommen, sagte ein Zeuge aus. „Dies ist das äußere Anzeichen, daß der Blumenhändler gezahlt hat“, begründet der Vorsitzende. Silvio sagte beim zweiten Prozeß, der Besuch beim Blumenhändler sei ein reiner Freundschaftsdienst gewesen.

Doch daß Geld geflossen sein muß, konstruierte das Gericht aus der Tatsache, daß der Angeklagte im gesamten Dezember nicht einmal Geld vom Konto abgehoben habe. Auch nur Indizien konnte der Sachverständige des Bundeskriminalamtes beisteuern. Am Jägerzaun, gegenüber dem durchgeschnittenen Nato-Draht, wurden Monate nach dem Brand Fasern einer Tarnhose gefunden. Drei von acht Fasern sollen identisch sein mit der Tarnhose, die Silvio J. zu der Zeit gerne als Ausgehuniform bei Skinheadkonzerten trug.

Diese Indizien reichten den Richtern, um den Freispruch des ersten Prozesses zu revidieren. Die Jugendstrafe begründeten sie mit der schlimmen Kindheit von Silvio J. und seiner günstigen Zukunftsprognose. Zwar wurde die Haftstrafe ausgesetzt, aber er muß ein Bußgeld zahlen: 7.200 Mark an die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte.