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Der Gott vom Klassik-Radio

■ Musikhalle: Sir Neville Marriner dirigierte die Philharmoniker

Die letzten großen Gelangweilten unseres Jahrhunderts trafen sich am Sonntag um 11 Uhr in der Musikhalle, um noch etwas Kurzweil zu erleben. Musik, die man zu Hause auflegt, wenn man in die Wanne steigt oder einer leichten Perlenstickerei nachgeht, wurde geboten. Unter der Leitung von Sir Neville Marriner spielten die Philharmoniker Schumann und Tschaikowsky.

Nach der leicht dahin gefädelten Manfred-Ouvertüre von Schumann brachte das Scherzo in op. 52 ein leichtes Wippen wie die Bögen auf den Geigensaiten, um im Finale zackig furios zu enden. Bei der üppigen Streichergruppe konnte das Abonnements-Publikum es sich auf einem glattgestrichenen, dichten Klangteppich gewohnt bequem machen. Mit seinem ausgefeilten Sound, den Klassik-Radio als Non-Plus-Ultra rauf und runter spielt, umschmiegte Marriner pianissimo wie fortissimo das Publikum in feiner Nivellierung, ohne jemals ein so liebkostes Ohr zu schrecken.

Nach der Pause folgte Tschaikowskys Symphonie Nr.1 Winterträume. Auch hier blieben die Streicher eine geschlossene Decke, unter der jetzt die russische Seele wogte. Die Romantik des 2. Satzes ließ die Skepsis an der hörbaren Perfektion zerrinnen. Dem Schwung, mit dem die so hochdosiert eingesetzten Violinen, Celli, Bratschen und Bässe das Publikum ins Finale hoben, mochte man sich nicht entziehen.

Dem Hang zum Mainstream am Sonntagmorgen aber doch. Wenn im Programmheft Schumann zitiert wird: „Die ihr euch so gern in das Andenken der alten guten Zeit versenkt, denkt ihr gar nicht daran, daß diese Zeit notwendig immer weiter zurückschreiten wird...?“, dann sollte man das bedenken. Yes Sir.

Elsa Freese

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