■ Schöner Leben: Das Dreitagebein
Nein, wie männlich! Dieser Bartschatten, wenn es denn einen gibt. Wie er das Kinn ziert, Coolness ausstrahlt. Alles im Griff, ein echter Kerl. Selbst dann, wenn der, um der Wahrheit die Ehre zu geben, bloß zu faul zum Rasieren ist. Aber dann, wenn die Ausstrahlung auch angekommen ist, wenn sie dem Kerl der Kerle näher kommt – wie das kratzt, wie das die milchweiße weibliche Pfirsichwange rotschrubbt. Wie gemein, wie unerotisch. Der Dreitagebart, zweifellos ein Grund für haptische Depressionen.
So weit, so bekannt, so oft beklagt. Aber wer traut sich schon, mal über das Dreitagebein zu reden. Das macht nämlich nicht minder haptisch-depressiv. Sogar eher mehr, weil es so unerwartet daherkommt, und so großflächig, das Bein, weiblich-erotisierend rasiert, aber eben nicht mehr so richtig, kurz und drastisch: stoppelig. In der innigen Umarmung, wenn Haut an Haut sich reibt, das Frauenbein erforscht werden will – wie das kratzt, wenn gegen den Strich gestreichelt wird, wie das die milchweiße männliche Pfirsichhand rotschrubbt. Wie das hormongepeitschte Hirn abstürzt, weil die erwarteten Signale, so gar nicht mit denen zusammenpassen wollen, die von der irritierten Hand ausgehen.
Noch schlimmer als diese haptische Depression ist nur noch die einsetzende Kommunikationskrise. Was sagen? Aber was bloß? Oder besser so tun, als wäre nichts? Und dann der innere Seufzer über das schwere Schicksal, das das eigene Geschlecht zu tragen hat. Welch weibliche Leichtigkeit: „Kannst Du Dich vielleicht mal rasieren?!“ Und er? Ach, Schweigen! Jochen Grabler
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