Frost und Glut

■ Heizung kaputt, Blues vollrohr: Marla Glen wärmte die Herzen im eisigen Pier 2

So viele Menschen hatte das ehemalige AG-Weser Gelände seit der Werftschließung nicht mehr gesehen. Tausende drängten sich durch den eisigen Wind zum neuen Veranstaltungsort Pier 2, einer der früheren Werfthallen: ein bunter Haufen zwischen Anfang 20 und Mitte 40, der sich wärmen wollte am Feuer von Marla Glen. Die Bluesfrau mit dem kräftigen Organ wird schließlich derzeit als neuer Star am Rande des Mainstream kräftig gepusht – nicht nur wegen ihrer Stimme, sondern ihrer offensiv vorgetragenen Lust, die Frauen- und Männerrollen des Musikgeschäfts durcheinander zu wirbeln.

Doch bevor die androgyne US-Amerikanerin aus Paris die Bühne betrat, versetzte der zairische Sänger und Gitarrist Lokua Kanza das Publikum schon in relaxte Stimmung. Zusammen mit einer Backgroundsängerin und einem -sänger stimmte der Songpoet auf wärmere Gefühle ein, mal mit kraftvoll emphatischer Stimme, mal mit Falsettgesang . Bereitwillig ließ sich ein Großteil der ZuhörerInnen zu diversen Mitsingaktionen animieren. Doch gekommen waren die etwa dreitausend BesucherInnen wegen der Frau, die nicht nur eine Stimme hat, wie ein Mann, sondern sich auch so kleidet. Wie nicht anders zu erwarten, erschien sie denn auch im Anzug, mit Krawatte und Hut. Ihre besondere Ausstrahlung und die irritierend harte, rauchig-dunkle Stimme sind denn auch die Stärken ihrer Liveshow. Denn ihre Musik ist eigentlich nicht sonderlich originell.

Glens Mischung aus Blues, Rock und Funk enthält oft bekannte Klischees. Ausgefallene Arrangements haben Seltenheitswert. Aber die Stimme, ihre staksigen Bewegungen auf der Bühne, ihr spröder Charme, die widersprüchliche Mischung aus Power, Intensität und Zerbrechlichkeit: All das entwickelt einen Reiz, dem mensch sich nicht entziehen kann. Eine Zuhörerin seufzte gar: „Die Frau ist ja zum Lesbischwerden schön.“

Glen präsentierte Stücke ihrer Debüt- und der aktuellen CD „Love & Respect“. Live kommen die Songs rauher und kantiger herüber, gehen stärker in die Beine, als die manchmal softer arrangierten CD-Versionen. Marla Glen brachte das Publikum im ausverkauften Pier 2 zwar nicht zum Kochen. Aber daß die gerade installierte Heizungsanlage ausgefallen war, kümmerte bald wohl keine der begeisterten ZuhörerInnen mehr. Farina