Das „Unspielbare“ gemeistert

■ Die Musik Max Regers zum Mitlesem: Kurt Seibert stellte im „Haus am Park“ das Klavierwerk des Komponisten vor

Es mag am Schneetreiben gelegen haben, daß nur sechs Seelen, einige Studenten und ein Zeitungsrezensent sich am Freitag abend auf den kalten Weg in den Bremer Osten machten. Ein Weg, das sei vorweggenommen, der sich gelohnt hatte. Im Rahmen der Reihe „aus der Seelentiefe...“ stellte der Bremer Pianist Kurt Seibert in einem Gesprächskonzert Max Regers wohl bedeutenstes Klavierwerk vor, die Variationen über eine Thema von Bach.

Die Erscheinung Reger ästhetisch eindeutig zu fixieren war und ist bis heute nicht möglich, noch immer rangiert er zwischen „genial“ (Schönberg) und „abstoßend“ (Strawinsky). Als Künstler machte Seibert erst gar nicht den Versuch, mit Wissenschaftsdebatten Reger zu zementieren. Er skizzierte ein offenes Reger-Bild, indem er mittels Dias Reger-Darstellungen von damals bis in die Moderne zeigte und interpretierte. So entstand ein vielfältiges Mosaik aus Biographie, Ästhetik, Rezeption, Poltik und verschiedensten Wertungen. Daß Seibert selber aus der „Reger-Stadt“ Weiden stammt und einiges von dort zu berichten hatte, verlieh dem Vortrag authentische Züge.

Der Volksmund verbindet Reger vielfach mit Bach. Das mag an seiner polyphon wirkenden Musik liegen oder auch an der Tatsache, daß er einfach nur viel Orgelmusik schrieb. Seibert demonstrierte mit einer Harnoncourt-Aufnahme aus der Kantate 128, aus der das Thema stammt, eindrücklich, wie wenig Regers „Thema“ mit Bach zu tun hat, wie wenig auch Regers Klaviersatz mit Bachscher Polyphonie in Verbindung zu bringen ist. Variation für Variation führte Seibert das kleine Publikum durch den halbstündigen Monumentalzyklus. Die meisten Sätze spielte er mehrmals. Das Stück stellt horrende pianistische und musikalische Anforderungen und galt lange Zeit überhaupt als unspielbar. Nebenbei und gleichzeitig noch einen Vortrag zu halten, muß man als besondere Leistung anerkennen.

Seibert will nicht einen Rudolf Serkin übertreffen, der als Referenzpianist für dieses Werk gilt. Sein Spiel wirkte durchsichtig, ohne aufgesetzte Sportlichkeit und zeigte überzeugend, daß auch beim vierfachen Fortissimo kein Flügel zertrümmert werden muß. Die schweren Passagen gelangen ihm sehr leicht, insgesamt eine entschlackte und trotzdem ausdifferenzierte Interpretation, die Seibert am 23.3. noch einmal zu Gehör bringen wird.

Die Fülle der ganzen Veranstaltungsreihe ist sicherlich zu groß. Dieser Abend aber als einzelner bot das Gegenteil: die Möglichkeit, sich einzulassen auf ein einziges Werk. Ulrich Matyl