„Neu nachdenken“

■ Radunski gegen Mahnmal-Entwurf

Gerade noch rechtzeitig zum offiziellen Gedenktag für die Opfer des NS-Terrors am 27. Januar hat Berlins neuer Kultursenator Peter Radunski (CDU) ein erstes Zeichen für sein „inneres Verhältnis“ zur Kultur abgeliefert. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas soll nach Auffassung Radunkis nicht nach dem geplanten Entwurf von Christine Jackob-Marks realisiert werden. Am Wochenende forderte er im ZDF-Kulturmagazin Aspekte, die im Frühjahr 1995 getroffene Entscheidung zu revidieren. Radunski: „Über das Holocaust-Mahnmal muß neu nachgedacht werden.“

Der Kultursenator ließ offen, ob er den Standort für das Denkmal auf dem Areal der ehemaligen Ministergärten beibehalten wolle. Radunski verläßt damit die Linie seines Amtsvorgängers Ulrich Roloff-Momin sowie die von Exbausenator Wolfgang Nagel, die sich hinter den Wettbewerbsentwurf der Berliner Künstlerin gestellt hatten. Es sei „notwendig“, eine neue Debatte über das wegen seiner Monumentalität in die Kritik geratene Holocaust-Mahnmal zu führen. In der Vergangenheit hatte bereits Bundeskanzler Kohl die Betonplatte als „zu gigantisch“ abgetan. Der Entwurf von Jackob- Marks sieht eine leicht geneigte, trapezförmige, fast 100 x 100 Meter große Skulptur vor. Die Platte soll elf Meter aus dem Boden ragen und begehbar sein.

Der Vorstoß Radunskis richtet sich auch gegen die Absicht von Ignatz Bubis, den Bau des Holocaust-Mahnmals nach der Bildung des Senats schnell in Angriff zu nehmen. Bubis hatte sich noch in der vergangenen Woche in einem taz-Interview gegen weitere Verzögerungen, einen neuen Wettbewerb und die Debatte über einen alternativen Standort ausgesprochen. Ein „neuer Wettbewerb“, sagte er, „bringt nichts“. Bubis schlug allerdings vor, auf die in die Oberfläche der Platte einzugravierenden Namen der ermordeten Juden zu verzichten. Statt dessen könnten dort die Namen der NS- Vernichtungslager stehen.

Bubis reagierte damit auf die wachsende Kritik an dem Mahnmal. Ähnlich wie Radunski hatte bereits der SPD-Bundestagsabegeordnete Peter Conradi in der letzten Woche eine Neuauflage der Debatte und die Auslobung eines zweiten Wettbewerbs gefordert. Die SPD-Bundestagsfraktion will Anfang Februar ein Hearing über das Berliner Holocaust- Mahnmal veranstalten. rola