Ein tödlicher Irrtum kostet Israel 600.000 Mark

■ Weil sie ihn für einen Terroristen hielten, erschossen Agenten des Mossad in Norwegen einen Marokkaner. Jetzt gibt die israelische Regierung den Fehler zu

Oslo (taz) – Am 21. Juli 1973 brach der Marokkaner Ahmed Bouchiki von mehreren Schüssen getroffen zusammen. Er starb auf offener Straße vor seinem Wohnhaus in der norwegischen Kleinstadt Lillehammer. Bouchiki war bei einem Spaziergang mit seiner hochschwangeren Frau Torill das Opfer seiner etwas dunkleren Hautfarbe geworden. Seine Mörder – Agenten des israelischen Geheimdienstes Mossad – hatten ihn mit einem Anführer des palästinensischen „Schwarzen September“ verwechselt: Ali Hassan Salameh – der „Rote Prinz“. Er sollte für das Attentat auf die israelische Olympiamannschaft in München 1972 verantwortlich sein. Sechs Jahre später erwischte der Mossad dann den „Richtigen: 1979 starb Salameh in Beirut durch eine Autobombe.

Mehr als 22 Jahre nach der Ermordung Bouchikis hat Israels Regierung nun ihre Schuld eingestanden, „Trauer über den unglücklichen Tod“ zum Ausdruck gebracht und an die Hinterbliebenen Schadensersatz gezahlt: 2,5 Millionen Kronen, über 600.000 Mark. In der Nacht zum Samstag einigte sich der von Israels Regierung beauftragte Rechtsanwalt Amnon Goldenberg in Oslo mit Bouchikis Familie. Angeblich auf direkte Initiative von Ministerpräsident Schimon Peres fand sich Israels Regierung zu einem bislang einmaligen Zugeständnis bereit: Sie übernahm die Verantwortung für einen im staatlichen Auftrag durchgeführten Mord. Jan Egeland, Staatssekretär im norwegischen Außenministerium, erklärte: „Dafür haben wir lange gekämpft.“

Doch die norwegische Regierung hat kaum Anlaß, sich mit Lorbeeren zu schmücken. Von Anfang an hatte das offizielle Norwegen versucht, das Attentat unter den Teppich zu kehren. Den Anführer der Attentäter, Mike Harari, ließ man entkommen. Fünf festgenommenen Mossad-Agenten – insgesamt soll die Attentätergruppe aus mindestens 15 Personen bestanden haben – machte man einen Schnellprozeß, in dem keinerlei Versuche gemacht wurden, die Hintergründe des Anschlags aufzudecken. Die israelischen Agenten wurden zu milden Strafen verurteilt – sieben bis 22 Monate Haft wegen Beihilfe zum Mord – und schnell nach Israel abgeschoben. Peinlich vermieden wurden Fragen danach, was die norwegische Regierung vor dem Anschlag wußte, ob der Mossad vom norwegischen Geheimdienstes Hilfe erhalten hatte.

1977 bat die norwegische Polizei sogar Interpol, die Fahndung nach den geflüchteten Mossad-Agenten zu stoppen. „Wir bitten alle Fahndungsbemühungen gegen sämtliche in diesem Telegramm genannten Personen einzustellen“, beginnt ein Telegramm mit Datum vom 10. März 1977 aus Oslo an die Interpol-Zentrale. Aufgelistet ist unter anderem der Name des Leiters des Terroranschlags von Lillehammer, Mike Harari.

Im Zusammenhang mit einer Buchveröffentlichung über Norwegens Geheimdienste tauchte Ende letzten Jahres der Fall Bouchiki wieder auf. Es wurde aufgedeckt, daß sich der damalige Mossad-Chef Zwi Zamir zur Zeit des Anschlags in Norwegen aufgehalten hatte. Der gleiche Mann, der jetzt die Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Mord an Ministerpräsident Jitzhak Rabin leitet.

In Norwegen wurde daraufhin eine parlamentarische Untersuchungskommission eingesetzt. Es war davon die Rede, Zwi Zamir persönlich in Norwegen zu vernehmen. 17 Monate vor der Verjährung von Schadensersatzansprüchen bekamen Bouchikis Angehörige die nötige Presseunterstützung, um endlich zu ihrem Recht zu kommen. Norwegen war diplomatisch in Israel aktiv und – so darf man vermuten – machte klar, daß keiner der beiden Regierungen mit Publizität gedient sei. In Israel kam man draufhin zu der Überzeugung, daß weiteres Nachbohren in der Affäre am ehesten durch schleuniges Bezahlen zu verhindern sei. Reinhard Wolff