China droht Bremen

■ Solidaritätspreisverleihung an Exil-Chinesen Han Dongfang führt zu diplomatischem Druck

Gestern mittag gegen 14 Uhr fuhr ein Chevrolet, Kennzeichen HH - 900, beim Bremer Rathaus vor: ein freundlicher Herr entstieg dem Fond der nicht mehr ganz neuen Staatskarosse. Der chinesische Generalkonsul Pan Haifeng war aus Hamburg in einer dringenden Sache angereist, geradezu Hals über Kopf für die diplomatischen Gewohnheiten war in der vergangenen Woche dieser Termin verabredet worden, der Vertreter Chinas mußte den Bremer Bürgermeister sprechen.

Der lies den Gast eine Viertelstunden warten, und nahm sich dann doch Zeit. Nach einem kurzen Höflichkeits-Gerede kam PAn Haifeng dann schnell zur Sache: Am Freitag dieser Woche soll der chinesische Oppositionelle Han Dongfang vom Senat den Bremer Solidaritätspreis verliehen bekommen, sogar Gewerkschafts-Chef Schulte kommt zu der Feierstunde. Und das schmeckt den Chinesen nicht.

Schon am 11. Januar - Staatsrat Bettermann hat den Vorfall in seinem Terminkalender vermerkt – hat die Weltmacht protestiert. Ohne Vorwarnung rief der Bonner Botschafter im Büro der Bremer Residenz an und versicherte, der Mann, den der Bremer Senat als Kämpfer für Arbeitnehmer- und Menschenrechte ehren wolle, sei in Wahreit ein Krimineller, dem in China nur deswegen nicht der Prozeß gemacht worden sei, weil er – das stalinistische Prinzip von „Kritik und Selbstkritik“ grinst durchs Schlüsselloch – „Reue“ gezeigt habe. Die angebliche Gewerkschaft, für deren Gründung Han Donfang geehrt werden solle, gebe es überhaupt nicht. In China gebe es nur eine, die Gewerkschaft.

Der Botschafter redete mit dem protokollarisch weit unter ihm stehenden Bremer Staatsrat, weil es ihm ernst war: er habe die Befürchtung, drohte er durch die Blume, daß die vielfältigen und guten Beziehungen zwischen seinem Land und Bremen unter der Ehrung des Oppositionellen leiden könnten.

Was der Botschafter als bremer Antwort nach Peking gemeldet hat, muß dort als unbefriedigend empfunden worden sein. Jedenfalls nahm sich der Generalkonsul gelegentlich des Bremer Neujahrsempfanges den hiesigen Protokollchef Wolfgang Vorwerk beiseite, um den Protest zu unterstreichen. Und weil auch das nichts nützte, gab es dann den dringenden Wunsch eines Termins beim Bürgermeister noch vor der Preisverleihung am Freitag.

Der Generalkonsul wußte dabei allerdings, daß er nichts mehr verhindern konnte. Er selbst wollte dem wartenden Journalisten gegenüber keine Frage beantworten, vertraute aber dem Protokollchef noch im Hinausgehen an, es sei ihm sehr wichtig, daß dies auch sein Antrittsbesuch beim neuen Bremer Bürgermeister gewesen sei. Daß Han Dongfang mit seiner Arbeit den Sturz der chinesischen Regierung betriebe – ein nach dem chinesischen Strafrecht einschlägiger Tatbestand – wiederholte der diplomatische Vertreter im Bremer Rathaus nicht mehr. Aber mit der Ehrung durch den Bremer Senat wollte er sich dennoch nicht abfinden. Was er denn sagen würde, wenn in Dänemark ein bekannter Neonazi aus Deutschland einen Preis verliehen bekäme, fragte der Generalkonsul. Bürgermeister Scherf wies den Vergleich zurück und versicherte ganz allgemein, die Beziehungen zwischen den Staaten müßten nicht darunter leiden, wenn die Bewertung der Handlungsweise des anderen Staates in einzelnen Fragen kritisch sei.

Die Drohung, daß die Verleihung des Solidaritätspreises sich nachteilig auf die Beziehungen zwischen China und Bremen auswirken könnte, nahm der Generalkonsul am Ende des Gesprächs andeutungsweise zurück. K.W.