Der Start-II-Vertrag ist gefährdet

Nach der Ratifizierung des Rüstungskontrollabkommens durch den US-Senat ist jetzt die Duma an der Reihe. Rußlands Ministerpräsident Tschernomyrdin weilt in Washington  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Auf der Tagesordnung der dreitägigen Gespräche des russischen Ministerpräsidenten Viktor Tschernomyrdin in Washington steht auch der im Januar 1993 unterzeichnete Start-II-Vertrag zur Reduzierung strategischer Raketen. Das weitere Schicksal dieses Vertrages wie anderer bilateraler und multilateraler Rüstungskontroll- und Abrüstungsvereinbarungen der letzten sechs Jahre scheint angesichts der innenpolitischen Entwicklung in Rußland ungewiß.

Der Start-II-Vertrag sieht die Reduzierung der Zahl einsatzbereiter Sprengköpfe auf strategischen Atomwaffen Rußlands (von derzeit 7.000) und der USA (von derzeit 9.000) auf jeweils 3.500 bis zum Jahr 2003 vor. Der US-Senat ratifizierte den Vertrag letzte Woche mit 87 zu 13 Stimmen. Die Regierung in Washington hofft, daß auch die Ratifizierung durch die Duma noch vor dem für April in Moskau angesetzten Gipfeltreffen der Präsidenten Boris Jelzin und Bill Clinton über „Fragen der nuklearen Sicherheit“ erfolgt. Doch inzwischen wächst die Befürchtung, daß der innenpolitisch angeschlagene Jelzin das Abkommen der Duma nicht mehr vor den Präsidentschaftswahlen im Juni zur Ratifizierung vorlegt.

Bei seinem Treffen mit Jelzin im April will Clinton auch die beim Gipfeltreffen vom 10. Mai letzten Jahres veröffentlichte „Gemeinsame Stellungnahme über die Transparenz und Umumkehrbarkeit des Prozesses zur Reduzierung nuklearer Waffen“ zur Sprache bringen. Die darin vereinbarten Maßnahmen sollen die unter Start-II und unter Start-I vorgesehenen Abrüstungsschritte gegenseitig überprüfbar machen. Nach Darstellung von Vertretern des State Departments und der Washingtoner Rüstungskontroll-und Abrüstungsbehörde (ACDA) hat Moskau bislang keine der Vereinbarungen vom Mai 1995 erfüllt: weder den „regulären Austausch“ detaillierter Daten über Vorräte an Atomwaffen und anderen nuklearen Materialien noch die „gegenseitige Beobachtung“ der Anlagen, in denen nukleares Spaltmaterial aus demontierten Sprengköpfen gelagert werden.

Die Umsetzung einer im Mai 1995 bekräftigten Vereinbarung aus dem Jahre 1994, wonach Rußland die Produktion waffenfähigen Plutoniums einstellt, scheitert hingegen an den USA. Moskau hat von Washington bislang nicht das versprochene Geld erhalten, um die zur Elektrizitäts- und Wärmeproduktion eingesetzten Plutoniumreaktoren durch andere Energiequellen zu ersetzen.

Der 1989 noch zwischen der Nato und dem Warschauer Pakt vereinbarte Vertrag zur Reduzierung konventioneller Waffen in Europa (VKSE) wird von Rußland ( und anderen Staaten der ehemaligen Sowjetunion) seit dem 21. November letzten Jahres offen verletzt. Die laut Vertrag seit diesem Datum geltenen Obergrenzen für Panzer, Artillerie und anderen schweren Waffensysteme überschreitet Rußland vor allem in seinen Nachbarregionen zum Kaukasus zum Teil ganz erheblich. In der Nato wird inzwischen erwogen, Moskau im Gegenzug für eine Tolerierung der Aufnahme osteuropäischer Staaten in die Nato eine Korrektur dieser Obergrenzen nach oben zu konzidieren.

Sorgen bereitet schließlich auch das 1993 in Genf von 130 Staaten unterzeichnete weltweite Chemiewaffenverbot. Im Gegensatz zum US-Senat hat die Duma das Abkommen zwar bereits ratifiziert. Zugleich hat die Regierung in Moskau jedoch deutlich gemacht, daß sie die vertraglichen Fristen für die Zerstörung des russischen C-Waffenarsenals aus finanziellen und ökologischen Gründen ohne massive internationale Hilfe nicht erfüllen kann.