Abgeschoben und verschleppt

■ Ein aus Nordrhein-Westfalen abgeschobener Kurde wurde bei seiner Ankunft in der Türkei verhaftet

Düsseldorf (taz) – Orhan Sengüls Aufenthaltsort ist ungewiß. Kaum wieder in der Türkei, haben ihn türkische Soldaten in seinem Heimatort abgeholt und verschleppt. Erst am vergangenen Mittwoch war der Kurde aus Nordrhein-Westfalen abgeschoben worden. Zeugen für das Schicksal Sengüls sind die beiden grünen Landtagsabgeordneten Brigitte Hermann und Hisham Hammad, die den Kurden nach Istanbul begleitet hatten. Gestern gingen sie vor die Presse und erzählten, Sengül sei unmittelbar nach seiner Ankunft in Istanbul von der Polizei vier Stunden lang verhört und dann ohne seine Papiere entlassen worden. Neue Papiere solle er sich in seinem 1.000 Kilometer entfernten Heimatort besorgen. Vor die Alternative gestellt, entweder unterzutauchen oder die Ausweispapiere zu beantragen, habe sich Sengül zur Weiterreise entschieden. Dort sei er am Samstag erneut siebzehn Stunden vernommen worden. Der Grüne Hammad sieht im Vorgehen der türkischen Sicherheitsbehörden gegen Sengül einen weiteren Beleg dafür, „daß die Türkei keinesfalls als ein sicheres Abschiebeland bezeichnet werden kann“.

Orhan Sengül lebte seit 1990 im Märkischen Kreis in Nordrhein-Westfalen. In Deutschland hatte er sich bei Veranstaltungen und Demonstrationen immer wieder für die Rechte des kurdischen Volkes eingesetzt. Nachdem sein fünfter Asylfolgeantrag in der vergangenen Woche abgelehnt worden war, verfügte das Ausländeramt des Kreises trotz zahlreicher Proteste die Abschiebung. Zurück blieben seine drei Kinder im Alter von fünf bis neun Jahren und seine Frau. Nicht einmal die Entscheidung des Düsseldorfer Landtagspetitionsausschusses mochte die Behörde abwarten. Die Grünen wollen nun Innenminister Franz-Josef Kniola (SPD) auffordern, per Erlaß dafür zu sorgen, daß Kurden vorerst nicht abgeschoben werden – zumindest bis ein Abschlußbericht der Delegation vorliegt. Walter Jakobs