Vor und hinter dem Saitenvorhang

■ Alte Immerschnells und junge Dauerklampfer – zwei Konzerte in Hamburg

The Ramones

Das stakkatohaft in die Menge gebrüllte „One, Two, Three, Four“, und die Ramones starteten in den Abend wie eine gut geölte Maschine. Das ist Handwerk, und zu ihren besten Zeiten spielten sie 36 Stücke in einer Stunde. Mit dem Album Adios Amigos verabschiedet sich die us-amerikanische Fraktion des Punks von 22 Jahren Bandgeschichte – und sollte die Drohung sich diesmal bewahrheiten, so wird das Konzert vom vergangenen Montag im Docks sich wohl geschichtsträchtig nennen können. Legendär aber wohl kaum, denn diese gut funktionierende Maschine des Punkrock wirkte wie auf Schienen gesetzt. Mit alten Hits wie „Do You Wanna Dance“ und „Pinhead“ war es ein leichtes, die versammelte Fangemeinde routiniert in Frohsinn zu versetzen, am überfüllten Bühnenrand ging dem Pogo die Luft aus, in den hinteren Reihen hielten ältere Semester die Tränen zurück, und gemeinsam sangen alle „Hey Ho, lets go.“

Aber wir sind hier weder in den siebziger, noch in den achtziger Jahren. Die Zeiten haben sich geändert, und man sollte mit seiner Masche abtreten, wenn es am schönsten ist. Das haben die Sex Pistols und The Clash schließlich auch schon getan. Und angeblich haben die erst begonnen, nachdem sie dem ersten Londoner Konzert der „Brüder Ramone“ beiwohnten.

Petra Langemeyer

G.Love & Special Sauce

Man verstand sein eigenes Wort kaum mehr. Und das nicht etwa, weil G. Love & Special Sauce laut aufspielten, sondern weil die Hintergrundbeschallung in der Markthalle – selten genug in der Popkultur – minutenlang aussetzte und 500 Leute losschnatterten. Als dann endlich G. Love mit Schmalzlocke und Blümchenhemd siegesgewiß einlief, ließ er entgegen der Erwartungen weniger Blues als Rhythm & Blues und sogar Skiffle freien Lauf. Mit silbernem Gitarrenband und lasziver Autoerotik erinnerte er so eher an Mick Jagger als an Robert Johnson.

Mitsamt vorgeschnallter Mundharmonika erwies sich der junge Prince Charming als autarker Straßenmusikant, den es aus unerklärlichen Gründen in die große Halle verschlagen hat, und degradierte seine Rhythmusgruppe zur Spezialsoße. Anders als die geflüsterten Raps des Debüts, gerieten sie aber immer mehr in altbekannte Rockismen, wenn auch ohne Krampfadern der Vortragenden. Die Drohung allerdings, über hundert Stücke im Programm zu haben, machten sie spielend wahr.

Volker Marquardt/Foto: jms