Nachgefragt: Kaum Protest
■ Viertelaner rühren sich nicht
Die Kaufleute im Viertel haben lautstark gegen die Verkehrsberuhigung protestiert. Die Anwohner schweigen. Nur etwa 40 Viertel-Bewohner gingen letzten Samstag auf die Straße, um für die Verkehrsberuhigung zu demonstrieren. Die Beiratsmitglieder von SPD, Grünen und PDS streiten dennoch vehement für die Verkehrsberuhigung. Wir wollten von Reinhard Werner, Sprecher der SPD-Fraktion im Beirat östliche Vorstadt, wissen, was die Beiratsmitglieder so sicher macht, daß sie im Sinne der Viertel-Bürger handeln.
Herr Werner, an den Demonstrationen pro Verkehrsberuhigung haben nur wenige Anwohner teilgenommen. Wollen die Viertel-Bewohner die Verkehrsberuhigung etwa nicht?
Wir waren selber enttäuscht darüber, daß nur sehr wenige Menschen für die Verkehrsberuhigung demonstriert haben. Ich glaube, das liegt an der Vermittlung. Wir haben einfach nicht die Möglichkeit, viele Anwohner zu erreichen. Die Zahl derer, die sich beteiligt haben, war deshalb in der Tat sehr gering.
Vielleicht liegt es aber gar nicht daran, daß die Bürger nichts von der Demonstration wußten, sondern daran, daß sie die Verkehrsberuhigung nicht wollen?
Das glaube ich nicht.
Warum nicht?
Man muß sich nur die Wahlergebnisse ansehen. Die Parteien, die sich für die Verkehrsberuhigung im Viertel eingesetzt haben, hatten in den letzten vier Beiräten immer eine starke Mehrheit. Die SPD hat die Verkehrsberuhigung sogar seit 1979 im Programm. Die Grünen sind auch für die Verkehrsberuhigung. Im Viertel wohnt dieses Wählerpotential.
Es könnte aber immerhin sein, daß die Mehrheit der Viertel-Bewohner zwar rot-grün wählt, aber trotzdem gegen die Verkehrsberuhigung ist.
Das glaube ich nicht. Wir hätten das gehört. Ich führe täglich viele Gespräche mit Anwohnern – fast alle wollen die Viertel-Beruhigung. An die Mitglieder der Beiräte treten viele Menschen heran – sie wollen die Verkehrsberuhigung. Den Bürgerschaftsmitgliedern im Viertel kommt immer wieder zu Ohren, daß die Anwohner sich eine Verkehrsberuhigung wünschen.
Aber warum gehen die Leute dann nicht auf die Straße.
Demonstrationen sind nicht mehr so „in“ wie früher. Und: Der Straßenzug vor dem Steintor ist für die Anwohner keine so wesentliche Frage, daß sie bei kaltem Wetter demonstrieren würden.
Also ist ihnen die Verkehrsberuhigung doch nicht so wichtig?
Es gibt sicherlich Wichtigeres für sie. Anhand der Gespräche sind wir aber sicher, daß die Anwohner die Verkehrsberuhigung wollen. Ich habe den Eindruck, daß die Anwohner mit der Umsetzung der Verkehrsberuhigung nicht einverstanden sind. Sie merken, daß sie länger nach einem Parkplatz suchen müssen. Viele sind in der Frage indifferent. Das ist wohl auch die Mehrheitsmeinung. Sie haben sich mit der Frage nicht so intensiv befaßt. Wir haben uns mit der Frage aber sehr lange befaßt und sind deshalb viel engagierter an dem Thema dran, als der durchschnittliche Bürger.
Wie ist denn jetzt die Stimmung in der SPD?
Wir haben erst Montagabend im neuen Unterbezirk Bremen dazu einen Beschluß gefaßt, der unsere Auffassung stützt. Wir sind der Meinung, daß die Verkehrsberuhigung der richtige Weg ist. Wir sehen allerdings auch, daß uns – angesichts der Großen Koaltion – ein Kompromiß ins Haus steht. Aber die SPD-Position ist in dieser Frage eindeutig – und die ist auf allen Ebenen bestätigt worden.
Planen Sie weitere Demonstrationen pro Verkehrsberuhigung im Viertel?
Wir werden erst abwarten, was Bausenator Schulte vorschlägt und dann weitersehen.
Und wie wollen sie dann rausfinden, was die Bürger wollen?
Gespräche bleiben unsere wichtigste Informationsquelle. Außerdem werden wir die Einwohner bitten, uns ihre Meinung zu schreiben. Fragen: Kerstin Schneider
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