Hoechst entschuldigt sich bei den lieben Nachbarn

■ Dormann sagt mehr Sicherheit zu. Rheinverseuchung wäre zu vermeiden gewesen

Frankfurt/Main (taz) – „Ich möchte mich im Namen von Hoechst bei den Bürgerinnen und Bürgern in der Nachbarschaft des Werkes Griesheim für die Belästigungen, Störungen und Ängste entschuldigen, die wir verursacht haben.“ Der durch die beiden Chemie-Unfälle vom vergangenen Wochenende aufgeschreckte Chef der Hoechst AG, Jürgen Dormann, meldete sich gestern aus den Vereinigten Staaten zu Wort. Dormann versicherte den lieben Nachbarinnen und Nachbarn, daß Hoechst „alle erdenklichen Vorsorgemaßnahmen eingeleitet“ habe, um die Leute in Griesheim zu schützen. Daß der krebserregende „Schnee“ aus Isoproturon am Sonnabend vor allem über Schwanheim niederging, hatte ihm offenbar wieder niemand gesagt.

Dormann kündigte ein Fünf- Punkte-Aktionsprogramm an. Zum einen werde der TÜV beauftragt, die Ursache für den Störfall im Detail zu untersuchen. Zum anderen soll der Leiter der Gruppe Luftreinhaltung im Stammwerk demnächst als Sicherheitsmanager in Griesheim dafür sorgen, daß die Klassifizierung von sicherheits- und umweltrelevanten Ereignissen rund um die Uhr garantiert ist. Das Schichtpersonal bekam außerdem die Anweisung, bei außergewöhnlichen Betriebszuständen vor jedem Eingriff den Betriebsführer zu konsultieren, und sämtliche Anlagen in Griesheim sollen überprüft werden. Genau das hatte die hessische Umweltministerin Margarete Nimsch am Sonntag eingeklagt. Die Verantwortung dafür, daß die Sirenen in den betroffenen Stadtteilen nicht heulten, wollte Dormann allerdings nicht übernehmen. Dafür müßten klare Regelungen mit den Behörden ausgehandelt werden, meint er.

Die Bürgerinitiative „Hoechster Schnüffler un' Maagucker“ will nicht mehr den TÜV mit dem Anlagen-Check betraut sehen. Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) erinnerte daran, daß das Öko-Institut bei den Untersuchungen der Störfälle in den Hanauer Atomanlagen ausgezeichnete Arbeit geleistet habe.

Umweltministerin Margarete Nimsch hat am Montag abend im Stammwerk Hoechst einen Teil der Pyrazolon-Anlage, aus der in der Nacht zum Sonntag 1,5 Tonnen 4-Amino-Anti-Pyrin-Sulfonsäure ausgetreten waren, stillegen lassen. Daß Hoechst den Unfall erst nach 34 Stunden meldete, bezeichnete Nimsch als „völlig inakzeptabel“. Bei Befragungen der Wasser- und Immissionsschutzbehörde habe sich herausgestellt, daß ein Auffangbehälter vor der Kläranlage die Einleitung in den Main hätte verhindern können, wenn die Verantwortlichen reagiert hätten. Klaus-Peter Klingelschmitt