■ Cash & Crash
: Ängste, Geheimnisse

Berlin (taz) – Es knirscht im deutschen Industriegetriebe. In vielen anderen alten Industrieländern knirscht es ebenso, was uns aber auch nicht weiterhilft. Was tun also? Bündnisse für Arbeit und Sozialabbau gibt es schon, hochkarätig besetzt und lautstark vorgestellt. Ruhiger ist es um das Bündnis der deutschen Angsthasen und Geheimniskrämer. Die Deutschen könnten ein Geldvermögen von über vier Billionen Mark investieren und damit die Wirtschaft mehr ankurbeln als jedes staatliche Programm.

Sie müßten ihre Milliarden in Aktien stecken und damit finanziell ausgetrockneten Unternehmen und Forschern Kapital einflößen. Doch nur zwei Prozent des deutschen Privatvermögens sind in Aktien angelegt. Und der Anteil sinkt. Absolut gesehen wären das im Jahr 1994 noch immer an die 200 Milliarden Mark gewesen, die in die Kassen der Aktiengesellschaften wanderten – wenn die AnlegerInnen denn Anteile an neuen AGs erwürben. Doch die Masse kauft weiterhin bewährte börsennotierte Unternehmen.

Angsthasen also. Die Aktien eines etablierten Unternehmens müssen teuer erkauft werden und versprechen nur die übliche Rendite. Ein Newcomer wie die amerikanische Internet- Softwareklitsche Netscape Corporation hingegen startete letzten August an der Börse mit 28 Dollar pro Aktie. Heute liegt ein Anteilschein bei 156,5 Dollar, eine hübsche Rendite. Doch wer weiß schon, welches Unternehmen zur Kursrakete wird? Bei solchen Risiken geht das deutsche Anlegerärschlein auf Grundeis.

Der deutschen Wirtschaft scheint das kurioserweise nur recht zu sein. Bevor sie an die Börse gehen, verschulden sich Unternehmensgründer lieber bei ihrer Hausbank. Deutsche AGs dürfen mit ihrer Bilanz weit mehr tricksen als zum Beispiel in den USA, damit möglichst wenig an AktionärInnen und Staat ausgeschüttet werden muß. Banken verlangen unverschämte Gebühren. Und weil das Volk sowenig Aktien hat, können einige Großanteilseigner die Kurse stärker beeinflussen, als Nicht-Insidern lieb sein kann.

Das alles schreckt ab, und der Staat pennt – trotz oder wegen all der Bündnisse. In Großbritannien gibt es eigens Aktienläden. Dort werden Kleinanleger schnell und formlos beraten. Das schafft nicht nur Arbeitsplätze für Aktienberater, sondern macht Geld für Staat und Unternehmen locker. Mit einigem Erfolg: Vor zehn Jahren hatte jeder zwanzigste Brite Aktien – eine Rate wie heute in Deutschland –, heute ist es jeder fünfte. rem