„Wir können erst ein Verfahren durchführen, wenn er hier ist“

■ Deutsche, die im Ausland Kinder mißbrauchen, werden trotz eines eigens dafür kreierten Gesetzes kaum belangt

Bislang konnte in Deutschland nur ein Verfahren wegen sexuellen Mißbrauchs von Minderjährigen abgeschlossen werden. Im Oberlandesgerichtsbezirk München wurde ein homosexueller Mann zu acht Monaten auf Bewährung verhaftet, weil er in Thailand Sex mit einem 12jährigen hatte. Daß es überhaupt zur Gerichtsverhandlung kam, geht auf eine Gesetzesänderung von September 1993 zurück. Danach können Deutsche, die im Ausland Kinder sexuell mißbraucht haben, mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft werden – selbst wenn der Mißbrauch in dem Land, in dem die Tat stattgefunden hat, kein Verbrechen ist. „In dem Fall des Berliners Norbert V. ist die Tat aber auch in Thailand strafbar“, erklärte Job Tilmann, Pressesprecher der Frankfurter Staatsanwaltschaft, gegenüber der taz. „Deshalb können sowohl wir als auch die Thailänder das Verfahren durchführen. Wir können das allerdings erst, wenn er auch hier ist.“ Es sei ein routinemäßiges Verfahren eingeleitet worden, um die Strafverfolgung in Thailand zu beobachten und um zu prüfen, ob eine Auslieferung beantragt wird. Weil häufig die Beweise fehlen und viele Sextouristen nicht auffallen, kommen die meisten von ihnen, die sich etwa in Thailand, Sri Lanka oder in Brasilien der Kinder bedienen, ungestraft davon. Der geringen Zahl an Fällen, in denen die Staatsanwaltschaften ermitteln, stehen in Thailand jährlich rund 40.000 bis 60.000 Sextouristen gegenüber, von denen sich nach einer Umfrage des Sozialwissenschaftlers Dieter Kleiber rund 1,2 Prozent an Kindern vergreifen. Insgesamt fahren nach Angaben des Instituts für Prävention und psychosoziale Gesundheitsforschung der FU Berlin jährlich bis zu 400.000 Deutsche als Sextouristen ins Ausland, darunter etwa 5.000, die es auf Kinder absehen.

Bisher sind der Arbeitsgemeinschaft gegen Kinderprostitution nur fünf Ermittlungsverfahren bekannt. In einem Fall haben Urlauber die Ermittlungen gegen einen Deutschen ausgelöst. Er betrieb in Sri Lanka ein Jugendheim und soll Jungen regelmäßig sexuell mißbraucht haben. In den anderen Fällen wurden Ermittlungsverfahren gegen Sextouristen eingeleitet, die bereits in Asien angeklagt sind.

Die Bundesregierung hält bislang von Rechtshilfeverträgen mit den betroffenen Staaten nicht allzuviel, da dadurch die Verfolgung des sexuellen Mißbrauchs von Kindern im Ausland kaum effektiver gestaltet werden könne. Dabei ist eine engere Zusammenarbeit dringend erforderlich.

Das wurde auch auf einem Symposium des Bundesjustizministeriums im November festgestellt, an dem auch der Bangkoker Staatsanwalt teilnahm. Der stehe nun im Fall des Berliners in persönlichem Kontakt mit dem Frankfurter Staatsanwalt, erklärte Pressesprecher Job Tilmann.

Auf die Einsicht und Reue der Täter braucht man wohl nicht zu hoffen. Sie betrachten die Kinder nach Meinung von Fachleuten als „Ware“, für die sie bezahlt haben. Diese „Ware“ sind nach Erkenntnissen der Vereinten Nationen in Thailand rund 100.000 Kinder, auf den Philippinen geschätzte 30.000 bis 60.000 und 30.000 in Sri Lanka. Ka