Ein deutscher Zuhälter wurde letzte Woche in Thailand festgenommen, weil er Sextouristen Kinder geliefert haben soll. Als Folge der Verhaftung, die unter Mithilfe eines Fernsehjournalisten erfolgte, kam es auch in Deutschland zu Festnahmen

Ein deutscher Zuhälter wurde letzte Woche in Thailand festgenommen, weil er Sextouristen Kinder geliefert haben soll.

Als Folge der Verhaftung, die unter Mithilfe eines Fernsehjournalisten erfolgte, kam es auch in Deutschland zu Festnahmen

Die Drecksarbeit erledigen Thailänder

„Mein Sonnenschein, ich freue mich, Dich heute abend sehen zu können, denn ich habe Deine Bestellung aufgegeben.“ Als der deutsche Fernsehjournalist Christian Sterley diese Nachricht in seinem Hotel im thailändischen Pattaya vorfand, hoffte er, daß nun die Falle zuschnappen würde. Ausgerüstet von der Bangkoker Polizei mit versteckter Kamera und Mikrofon, wartete er auf den Zuhälter, der ihm im Auftrag des deutschen Geschäftmannes Norbert Karl V. einen kleinen Jungen bringen würde. Denn das war das Geschäft des V.: Sextouristen aus Deutschland und andernorts mit Kindern zu versorgen.

Zwei Tage lang hatte sich Christian Sterley, der bei seinen Recherchen über die internationale Päderastenszene und den Mißbrauch von Kindern in Südostasien durch Sextouristen auf den deutschen Geschäftsmann gestoßen war, immer wieder mit V. getroffen, der keinen Verdacht schöpfte. V. lebt seit 13 Jahren in Thailand. Der Journalist hatte sich aus Deutschland per Brief an den 57jährigen gewandt; er sei ein deutscher Pornofilmer, ob ihm V. behilflich sein könne. Der hatte sofort zugestimmt.

An jenem Tag, als V. ihm schließlich „die Bestellung“ lieferte, war im Hotel zunächst ein thailändischer Zuhälter aufgetaucht – V. beschäftigte mehrere, wie sich später herausstellte. V. wies seinen Helfer an, für Christian Sterley einen kleinen, unter zehnjährigen Jungen zu besorgen, „ganz egal woher, aus einem Tempel oder irgendwoher“. Von der Polizei mit markiertem Geld ausgerüstet, wartete Sterley dann auf den Jungen. „Dann wurde mir der Bub aufs Zimmer gebracht. Er war zehn Jahre und ein Monat alt, erzählte mir der Zuhälter. Der sagte dann: ,Have a good time with him‘“, erzählt Sterley. Das ZDF zeigte diese Szene am Montag abend in seinem „Auslandsjournal“.

Der Junge sei ganz unerfahren, versicherte der Zuhälter Sterley: „Whatever you want, you can do to him.“ Dann beugte er sich runter und sagte zu dem Jungen auf Thai: „So, zieh dich jetzt aus und laß den Fremden machen, was er möchte. Es ist alles in Ordnung, und benimm dich anständig.“

Sterley gegenüber der taz: „Ich saß dann fünf Minuten in meinem Zimmer und hab ihn dann versucht zu beruhigen. Dem Kind hatte man vorher Drogen gegeben. Das hat man später nach der ärztlichen Untersuchung festgestellt. Der Zuhälter hatte den Jungen einfach irgendwo eingesammelt – so machen sie es meistens, weil die Päderasten immer „frische Ware“ wollen – einen „ungeöffneten Buben“, wie es in der Szenesprache heißt. Dann sind sie für seine Verhältnisse außergewöhnlich gut essen gegangen und haben ihm dabei Beruhigungsmittel gegeben.“

Sterley arbeitete bei seinen Recherchen zusammen mit einer thailändischen Organisation, die sich für mißbrauchte Kinder einsetzt und die Verbindung zur thailandischen Staatsanwaltschaft und zu einer extra eingerichteten Polizeitruppe, der Child Protection Special Squad, hergestellt hatte. Eine Gruppe dieser Spezialeinheit war zu dieser Aktion aus Bangkok eingetroffen. Denn die Polizei in Pattaya, dem berüchtigten Badeort, der vor allem von Prostitutionstourismus lebt, ist selbst tief verstrickt in das Sexgeschäft. Nach Informationen Sterleys ist in Pattaya erst kürzlich ein Puff aufgeflogen, der von einem Polizisten geführt wurde und in dem sich Schweizer Päderasten vergnügten. Zynischerweise lief das unter dem Deckmantel einer Kinderhilfsorganisation ab, für die sogar mit bunten Werbeblättern geworben wurde.

Der thailändische Zuhälter wurde daraufhin verhaftet und legte nach Angaben der Polizei sofort ein Geständnis ab, wobei er V. als seinen Auftraggeber nannte. Das war am Freitag. Auch V. wurde daraufhin festgenommen. Er wird in Thailand vor Gericht gestellt werden. Am kommenden Montag werden die Behörden entscheiden, ob er in Untersuchungshaft bleibt oder auf Kaution freigelassen wird. Bei einer Verurteilung erwarten ihn fünf Jahre bis 15 Jahre Haft. Nach Ansicht Sterleys konnte V. solange unbehelligt seinen Geschäften nachgehen, weil er die Drecksarbeit – also die Entführung oder den Kauf ganz kleiner Kinder – durch thailändische Zuhälter erledigen ließ. Und diese Arbeit ist unvorstellbar dreckig: Polizisten ermitteln gegenwärtig im Fall eines europäischen Päderasten, der bereits wegen Mißbrauchs von Kindern verurteilt worden war und nun ein 18 Monate altes Baby adoptieren wollte, um es für seine Neigungen heranzuzuziehen.

Bei V. soll die Polizei auch eine Kundenliste mit zahlreichen Namen deutscher und anderer Päderasten gefunden haben. Gegenüber Sterley erwähnte V. häufiger einen Mitarbeiter einer Hamburger Jugendbehörde, der wegen seines eleganten Auftretens in der Szene unter dem Spitznamen „der Senator“ lief. Als Folge der Verhaftung Norbert V.s hat es bislang mindestens sieben Verhaftungen und Durchsuchungen in Deutschland gegeben. Nach Information Sterleys gehörte dazu gestern morgen auch ein Mitarbeiter des Hannoveraner Reisebüros, an dem V. beteiligt war.

Eine Kopie des im „Auslandsjournal“ gelaufenenen Filmes liegt jetzt bei der Bangkoker Polizei – ebenso wie bei der deutschen Botschaft in Bangkok, die sich nach Ansicht Sterleys trotz vielfältiger Hinweise lange Zeit nicht sehr interessiert gezeigt hat, gegen die Machenschaften des Deutschen in Thailand vorzugehen. Ein Prozeß kann sich lange hinziehen. Das Verfahren gegen einen anderen Deutschen, der im Dezember 1994 wegen Kindesmißbrauch in Thailand verhaftet wurde, schleppt sich bislang dahin. Thailändische Gruppen, die für eine verschärfte Verfolgung der Kinderhändler und Päderasten kämpfen, sehen dennoch Fortschritte. Jutta Lietsch