Nachgefragt
: Härtefall Abschiebung

■ Jens Böhrnsen versus Borttscheller

Innensenator Ralf Borttscheller lehnte den Vorschlag des innenpolitischen Sprechers der SPD ab, eine Härtefallkommission für Abschiebefälle einzurichten. Die taz fragte Jens Böhrnsen über Zweck und Zukunft der Kommission.

Was war der Anlaß, eine Härtefallkommission für Abschiebefälle vorzuschlagen?

Die vielen öffentlichen Erörterungen solcher Fälle in der letzten Zeit. Wenn Kirchen, Wohlfahrtsverbände, Bürgerinitiativen, Mitschüler sich für einen von Abschiebung bedrohten Ausländer einsetzen, sollte man das als Anregung betrachten und deren Möglichkeiten zur Aufklärung der Frage, ob die Abschiebung gerechtfertigt ist oder nicht, dazu verwenden, die Entscheidungen zu überprüfen. Das ist auch der Ansatz in Nordrhein-Westfalen und in Berlin, wo es solche Kommissionen bereits gibt: Die Ausländerbehörden erhalten für ihre Entscheidung Zugriff auf die Informationen der Organisationen. Zum anderen kann die öffentliche Akzeptanz von ausländerbehördlichen Entscheidungen erhöht werden.

Wie sieht die Kommission aus?

In Berlin und NRW wurde die zusammengesetzt aus Vertretern der Kirche, Flüchtlingsinitiativen, Wohlfahrtsverbänden, Bürgerrechtsorganisationen und den Ausländerbeauftragten.

Nun sagt Herr Borttscheller, die Überprüfung der Fälle erledigen bereits das Bundesamt und die Ausländerbehörde.

Hätte er mein Schreiben sorgfältig gelesen, dann hätte er erkannt, daß diese Härtefallkommission nicht nur für Asylbewerber vorgeschlagen wird, sondern für alle Ausländer. In jedem Fall kann es besondere Umstände geben, die die Rückkehr in die Heimat unzumutbar machen. Es geht darum, bei der Bewertung der Frage zu helfen, ob solche Gründe vorliegen oder nicht. Das ist also ein Beratungsgremium, und mir ist die schnelle Bereitschaft zur Ablehnung absolut unverständlich. Das sollte man nicht tun, weil es nicht um die Abschiebung als theoretischen Begriff geht, sondern um ein Lebensschicksal, das durch die Abschiebung einen gewaltigen Einschnitt erfährt.

Warum eine Kommission plus Petitionsausschuß?

In Berlin und NRW ist man zu dem Schluß gekommen, daß dieses Beratungsgremium sehr schnell und konkret arbeitet. Die Arbeit findet in enger Kooperation mit dem Innensenator statt. Natürlich hat jeder Ausländer auch dort das Recht, eine Petition zu stellen, aber dann wird die Kommission nicht mehr aktiv.

Herr Borttscheller meint, eine Härtefallkommission sei gar nicht zulässig.

Auch da hat er offensichtlich etwas mißverstanden. Richtig ist, daß sowohl rechtlich als auch politisch die Ausländerbehörde und der Innensenator verantwortlich bleiben. Aber darum geht es nicht, sondern darum, eine Beratung zu organisieren, diese aber nicht unverbindlich zu machen. Daher schlage ich analog zu NRW und Berlin vor, daß der Innensenator eine Abweichung von der Empfehlung dieser Härtefallkommission ausführlich gegenüber der Kommission begründen muß.

Im November 95 faßte die Bürgerschaft auf gemeinsamen Antrag der CDU und SPD einen Beschluß.

Der in der Tat sehr wichtige Beschluß besagt, daß im Zweifel die Handlungsspielräume, die das Ausländergesetz läßt, zugunsten von Ausländern ausgelegt werden sollen.

Was halten Sie von Herrn Borttschellers Reaktion auf die vorgeschlagene Kommission?

Etwas längeres Nachdenken über den Vorschlag wäre angebracht gewesen. Ich habe wenig Verständnis dafür, daß man solche Vorschläge, die ja nicht darauf gerichtet sind, seine Möglichkeiten der Letztentscheidung zu beeinträchtigen, sondern darauf, Beratung zu organisieren, in der Weise ablehnt.

Hat ihr Vorschlag noch eine Chance?

Ich werde mit den Koalitionspartnern in der Innendeputation weiter darüber reden. Ich lasse mich noch nicht entmutigen. Fragen: Dora Hartmann