Zwanglos verräuspert

Stand by your „Männerpension“ – In Detlev Bucks neuem Film kommt es prominent, so wie es kommen muß  ■ Von Petra Kohse

Detlev Buck hat dem Tier seinen Platz im deutschen Film zurückgegeben. Das ist erfreulich und zudem dramaturgisch konsequent. Denn so ernsthaft, wie er die Kühe, Schweine, Pferde und Hühner ins Bild rückt, erinnern sie unaufdringlich, aber nachhaltig daran, daß der nächste Bauernhof in Deutschland nie weiter als ein paar Kilometer entfernt ist. Und ein Hauch von Scholle ist es ja auch, der die Filme von Buck bisher immer ausgezeichnet hat. Diese gelassene Befremdung, mit der die Welt betrachtet wird und hinter der sich doch eine geradezu abstruse Unbeirrbarkeit verbirgt, wenn es darum geht, einmal gefaßte Entschlüsse umzusetzen!

Die Protagonisten in Buck-Filmen haben etwas vor. Man merkt es nicht immer gleich. Sie heißen „Hopnick“ und „können auch anders“, was alle möglichen Schlüsse zuläßt. Das ist ja das Schöne. Anders im neuen Film von Detlev Buck. „Männerpension“ ist ein erstaunlich konkreter und auch noch doppeldeutiger Titel. Gemeint ist einerseits ein Knast, andererseits das Zuhause beherzter Frauen, bei denen ausgewählte Häftlinge in die Sommerfrische gehen und ihre Gesellschaftsfähigkeit unter Beweis stellen dürfen. So denkt sich das zumindest der ehrgeizige Gefängnisdirektor Dr. Fazetti. Man ahnt sofort, wo das hinzielt und was da alles passieren kann, zumal die Knackis im Zentrum des Films mit Til Schweiger und dem Regisseur selbst besetzt sind.

Es kommt auch, wie es kommen muß, und das in prominenter Besetzung. Leander Haußmann, der hübsche Intendant des Bochumer Schauspielhauses, spielt den Fazetti mit süffisantem Lächeln, Ignaz Kirchner vom Deutschen Theater Berlin seinen Angestellten Mohrmann (ein geprügelter später Knabe, Kirchners Paraderolle). Der „Politische“ im Knast, von dem sich „Steinbock“ Schweiger und „Hammer-Gerd“ Buck beim Briefeschreiben an die interessierten Frauen helfen lassen, wird passenderweise von Christoph Wackernagel dargestellt.

Draußen dann, in der Freiheit, schwebt Viva-Moderatorin Heike Makatsch in die Arme von Hammer-Gerd, und Steinbock müht sich redlich um Marie Bäumer (bisher Theater und Fernsehen), die als Altenpflegerin Emilia in einem Hexenhäuschen mit Garten und Schifferklavier lebt. Wenigstens als Zitat mochte Buck auf die Scholle auch diesmal nicht verzichten, und in einer großen Szene werden Hühner exekutiert, und später spielen Hahn und Geißbock bei einer Liebesnacht im Schuppen die heimlichen Hauptrollen.

Komödie, Western, Gangster- und Liebesfilm legt Buck in schnellen Schnitten übereinander. Ein fanfarenbegleitetes Schubkarrenrennen im Gefängnishof dient als Auftakt für kommende Taten, Steinbocks Opa (Gideon Singer) plant mit dem Enkel gleich wieder einen Bruch, die Altenpflegerin ist spröde mit heißem Kern und der Weg zurück ins Gefängnis kurz und voller Straftaten.

Buck badet in Klischees. Aber sofern es seine eigene Rolle betrifft, immerhin ausgiebig genug. Etwa wenn Volksbühnenchef Frank Castorf als übellaunigster aller Intendanten im Parkett des Berliner Ensembles sitzt und Hammer-Gerds Liebste beim Vorsingen fertigmacht. Oder wenn Heike Makatsch als dieselbe Hammer-Gerds Haare einseift und hinreißend beschämt lispelt: „Aber das weiß ich doch.“ Daß Frauen dümmer sind als Männer. Später singt sie dann für ihn im Countrysound „Stand by your man“ (jetzt auch auf CD!), in einem fiesen Club, mit schwarzer Perücke und Netzstrümpfen – derweil Hammer-Gerd den Barbesitzer wegen eines anzüglichen Witzes schon lange ermordet hat.

„Männerpension“ wäre ein lustiges, aber beliebiges Genremischmasch, wenn, ja wenn nicht die Welt, wie Buck sie sieht, gelegentlich doch in bedächtigen Einstellungen vorbeiziehen würde. Steinbock und Hammer-Gerd beim Anmalen von Zwergen in der Arbeitszelle. Der Einmarsch der sozial engagierten Frauen in das Gefängnis – bei flirrender Hitze ein Gang zum Showdown. Im mitropaähnlich ausgestatteten Aufenthaltszimmer dann ein zwanglos verräuspertes Kennenlernen der Häftlinge und ihrer Betreuerinnen. Haußmann als Fazetti steht mit geschwellter Brust am Rande und schaltet plötzlich einen Kassettenrecorder mit Partymusik ein.

Oder der Chor der Pensionisten aus dem Altersheim, die auf Kühen (!) an Emilias Garten vorbeireiten und mißtrauisch hineinäugen. Und nicht zuletzt die typisch knappdoofen und dabei überaus realistischen Dialoge, die Buck so wunderbar beherrscht (Schweiger minder). Oder Hammer-Gerds Zaubersatz, mit dem er die Damenwelt bezwingen will: „Du hast so eine schöne Stimme, Schneewittchen.“

„Buck kann auch anders“, tönt unisono der Chor der bisherigen Rezensenten. Aber man weiß nicht so richtig, ob sie sich über die neue Witzischkeit eigentlich wirklich freuen. Buck kann anders als so anders. Das ist auch in „Männerpension“ unverkennbar. Deswegen kann man sich über den „neuen Buck“ letztlich freuen. Trotz der neuen Witzischkeit. Und wäre es nur wegen Hahn und Henne, Geißbock und Kuh.

„Männerpension“, Regie: Detlev Buck, mit Marie Bäumer, Buck, Heike Makatsch, Til Schweiger u.a., Deutschland 1995