■ Loopback
: Neue Ego-Prothesen

D-Netz-Handys sind mega- out. Noch im letzten Sommer galten die kleinen Funktelefone als Nonplusultra der Ego-Prothetik – unterstrichen sie doch im geeigneten Moment die Wichtigkeit ihrer Besitzer. Heute kann man damit niemanden mehr beeindrucken, jeder hat inzwischen so ein Teil. Die Geräte werden als lästig empfunden, und Firmen, bei denen man wichtige Anrufe zur richtigen Zeit oder piepsende Attrappen bestellen kann, klagen über rückläufige Umsätze. An die Stelle der Handys ist die E-Mail- Adresse getreten. „Mailen Sie mir das doch gleich mal rüber!“ Wer dann keinen Mailanschluß hat, der wird schief angeschaut.

In Amerika ist das schon lange Usus: Wird man dort nach der Anschrift gefragt, ist fast immer die E-Mail Adresse gemeint, nicht die der Schneckenpost. Und wie im normalen Leben gibt es feine und weniger feine Adressen. „compuserve.com“ oder „t-online.de“ klingt für Internet-Veteranen wie Kottbusser Damm und verursacht Naserümpfen. Angesagt sind kurze, einprägsame Adressen mit wenig Punkten dazwischen. Das klingt nach Elbchaussee. Hinterwäldler mit einer profanen Faxnummer können da nicht mithalten.

Neuester Schrei ist die eigene Homepage im World Wide Web. Sie wird dem Handy endgültig den Garaus machen, auch wenn sich das anders materialisiert. Und so drehen sich die Gespräche am Kneipentisch immer öfter um dieses Thema: „Ei dann hab isch gleisch meim Prowweidä gemehlt...“

Die eigene http-Adresse auf dem Briefbogen macht Eindruck. Sie zeigt, daß der Besitzer mit beiden Beinen auf der Vorspultaste steht. Fast forward – wir sitzen noch vor der ersten Reihe. Auf vielen Uni-Rechnern und vor allem bei CompuServe kann man sich das anschauen (http://our world.compuserve.com). Der Online-Dienst betreibt den vermutlich weltweit größten Server mit persönlichen Homepages. Jeder Kunde kann seine privaten Seiten kostenlos ins Netz stellen. Immerhin haben Homepages gegenüber Handys einen Vorteil: Sie nerven nicht, die Konfrontation ist freiwillig. Und sie animieren zu Kreativität. Handys haben nichts Kreatives.

Dummerweise sind es gerade die Seiten einiger deutscher User, die etwas vertrocknet daherkommen. „Hallo, wir sind Nicole und Manni, und wir helfen euch, wenn ihr Probleme mit Windows habt.“ Sie wirkt auf dem Online-Foto ja noch recht sympathisch. Er hingegen sieht aus, als würde er gleich in seinen Manta springen, um an der nächsten Ampel mit dem Handy herumzuspielen.