■ Querspalte: Nichts ist unmöglich
Vor nicht allzu langer Zeit hatten die Kölner plötzlich eine Ahnung von der Zukunft. Ein in der Stadt weltberühmter Kleinkrimineller, seines lädierten Organs wegen nur „die Nas'“ genannt, half der Polizei bei der Auffindung eines aus dem Dom gestohlenen Kruzifix. In wenigen Stunden brachte er das Diebesgut zurück und war der Held an diesem Tag.
Warum das von Bedeutung ist? Nun, wer hätte vor kurzem noch gedacht, daß Kommunisten Menschen sind? Daß Esso einen Umweltpreis verleiht? Daß Chirac Atomkraftgegner ist? Werte wandeln sich eben in unserer heutigen Zeit etwas schneller, als man denkt. Daraus folgt: Entweder wir denken dann in Zukunft schneller, oder wir beschränken uns auf das Wundern darüber, daß eben alles anders kommt, als man (nicht mehr) denkt.
Nach diesem philosophischen Exkurs wenden wir uns wieder der Welt, in diesem Fall der Süddeutschen Zeitung, zu. Dort werden Menschen dafür (gut) bezahlt, daß sie uns berichten, was gestern passierte. Das ist zugegebenermaßen eine nicht sehr zukunftsgerichtete Tätigkeit, an der nicht wenige Journalisten letztlich zugrunde gehen. Aber über Alkohol ein andermal. Jedenfalls scheint der Frust in München über die gesetzmäßige Rückwärtsgewandtheit von Tageszeitungen besonders hoch zu sein. Gestern war dem Blatt eine Beilage angefügt, mit dem bescheidenen Titel: „Ideen für ein neues Jahrtausend“.
Dem ist zu entnehmen, daß es die katholische Kirche bald nicht mehr geben wird (Eugen Drewermann), daß Atomkraftwerke nicht sicher sind (Ulrich Beck) und daß der Asiate nicht schläft (Paul Krugman).
Unsereins, der vom kommenden Millenium nur noch einen Bruchteil erleben wird, hätte da noch ein paar Fragen: Wie sieht's im Himmel aus? Seit Dante wissen wir nur, wie es in der Hölle zugeht, aber vom Himmel, da fehlen uns noch die Details. Da hätten wir mal gerne aus München eine Antwort. Die können das doch sicher. Nichts ist unmöglich. Die Kölner wissen das. Philipp Maußhardt
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