■ Freundliche Worte bei Tschernomyrdins USA-Besuch
: Zweckoptimismus und Zweifel

„Unsere Beziehungen überstehen jegliche Herausforderung“, resümierte Rußlands Premier Tschernomyrdin seinen Besuch in Washington. Seine amerikanischen Gesprächspartner konnten sich das Lächeln nicht ganz verkneifen. Noch präziser hätte man die Beziehungen nicht umschreiben können, jenes Schaukeln zwischen Zweifel und alternativlosem Zweckoptimismus. Tatsächlich hat sich das zwischendurch eingetrübte Verhältnis beider Länder ein wenig entspannt. Die Amerikaner sind Pragmatiker, und die Russen meinen ohnehin nicht alles so, wie sie es sagen, geschweige denn, daß den Worten auch Taten folgen.

Hier liegt aber das Problem. Damit es zu keinen Verwerfungen kommt und es dafür den 9-Milliarden- Kredit des IWF für Rußland gibt, wurden alle heiklen Themen ausgespart, von der Nato-Erweiterung bis hin zum Atomdeal Moskau-Teheran. Vornehmlich ging es den Amerikanern um ein Bekenntnis der Russen zur Fortsetzung der Reformpolitik. Tschernomyrdin, einer der letzten seriösen Herrn im Kreml, gelang es auch, Präsident Clinton zu überzeugen. Da stellt sich die Frage: Wie konnte sich Tschernomyrdin davon selbst überzeugen? Schon morgen könnte er das nächste Opfer im Kreml sein.

Zweifel an Jelzins Kurs sind nun auch in den USA laut geworden, das war die Begleitmusik zu den sonst netten Worten. Doch was tun? Nach einem Nachfolger oder gar einer Alternative zu Jelzin hat der gesamte Westen nie Ausschau gehalten. Mehr noch: Statt den liberalen und demokratischeren Kräften im Lande mit allen Mitteln den Rücken zu stärken, verfiel die Zivilisation in unverhohlene Heuchelei. Das schwächte die wirklichen Reformer doppelt, weil sie sich von Anfang an mehr Unterstützung seitens des Westens erhofft hatten.

Nicht nur die Falken und tölpelnden Nationalisten in Jelzins Umgebung erhielten Auftrieb, auch der Kremlchef hatte ausgelotet, wie weit er ungestraft über die Stränge schlagen kann. Was bleibt dem Westen also anderes, als ängstlich darauf zu bauen, daß der Kreml es nicht allzu toll treibt ? Er ist zwar käuflich, aber kaufen läßt er sich nicht. Und Geld verpflichtet ihn nicht zu Wohlverhalten. Doch wozu das alles? Vielleicht wird man es im Juni schon mit einem anderen Präsidenten zu tun haben. Womöglich ein Roter – das macht nichts, denn laut Programm sind Kommunisten längst nationale Sozialisten. Da gibt es nichts zu schmunzeln. Klaus-Helge Donath, Moskau