Griff ins Sparbuch

■ Frankreichs Premierminister verkündet einen neuen Konjunkturplan

Paris (taz) – Eine „gemeinsame deutsch-französische Initiative zur Ankurbelung der Konjunktur hatte Präsident Jacques Chirac bei seinen Neujahrsgrüßen angekündigt. Davon ist nur das gemeinsame Datum für völlig unterschiedliche Maßnahmen gegen die Wirtschaftskrise in Frankreich und Deutschland übriggeblieben. Höflich sprach der deutsche Finanzminister Theo Waigel (CSU) von einer „koordinierten Aktion“. Und die sonst regierungstreue Zeitung Le Figaro schrieb flehentlich, daß die eigene Regierung doch von Kohl lernen und die Unternehmenssteuern senken möge.

Überschattet wurde die Ankündigung des neuesten Konjunkturplans – des siebten seit dem Amtsantritt von Premierminister Alain Juppé – von den gleichzeitig veröffentlichten Statistiken über die der Arbeitslosigkeit. Das Heer der offiziell registrierten Arbeitslosen ist wieder auf über drei Millionen angewachsen. Am meisten betroffen sind dieJugendlichen unter 25 Jahren, die in Frankreich einen höheren Anteil an den Langzeitarbeitslosen stellen als in den Nachbarländern.

Doch die Regierung beschränkt sich wieder auf reine Konsumanreize. Kernstück ihres Plans ist eine Senkung der Zinsen für die gesetzlichen Sparbücher – „Livret A“ – um einen Prozentpunkt. Zur Versöhnung mit der unpopulären Maßnahme, die jährlich sieben Milliarden Francs einbringen soll, führt die Regierung ein „Jugendsparbuch“ und ein „Volkssparbuch“ mit 4,75 Prozent Zinsen ein. Die Banken, die die Senkung der Sparzinsen verlangt hatten, zeigten sich mit einer Senkung des Basiszinssatzes um 0,5 Prozentpunkte erkenntlich.

Die Kleinsparer sind empört. Und die sozialistische Opposition kritisiert den Plan als Geldhuberei auf Kosten der sozial Schwachen. Einzig die Autoindustrie ist zufrieden: Schon im vergangenen Jahr hatte der Premierminister eine „Juppette“ genannte Prämie von bis zu 7.000 Francs pro Neuwagenkauf eingeführt. Dorothea Hahn