Schalcks starker Wille zum Rechtsbruch

Landgericht verurteilt den Devisenbeschaffer der DDR wegen Waffenschmuggels zu einem Jahr auf Bewährung. Verteidiger kündigen Revision an und wollen vors Verfassungsgericht gehen  ■ Aus Berlin Wolfgang Gast

Vor dem Bundesverfassungsgericht, da ist sich Alexander Schalck-Golodkowski sicher, da wird das Urteil „keinen Bestand haben“. Leise, um gefaßte Worte bemüht, kommentiert der frühere Chef des DDR-Außenhandelsbereiches „Kommerzielle Koordinierung“ (KoKo) und langjährige Strauß-Spezi den gerade gegen ihn ergangenen Urteilsspruch der fünften Großen Strafkammer. Ein Jahr auf Bewährung, lautet er. Schalck: „Ich nehme das Urteil zur Kenntnis“, nur akzeptieren könne er es nicht. Der Prozeß um den vielfachen Schmuggel von Waffen und Nachtsichtgeräten, den das Berliner Landgericht unter dem Kammervorsitzenden Burckard Le Viseur „ohne jeden Zweifel“ als erwiesen erachtet – für Schalck ist er „ein nicht bewältigtes Kapitel der deutschen Vereinigungsgeschichte“.

Während Big Alex und seine Verteidiger vor laufenden Kameras noch mit dem Urteil hadern, ist Oberstaatsanwalt Theodor Bosche in Maßen zufrieden. Achtzehn Monate hatte er als Strafmaß gefordert, eine Geldstrafe von 100.000 Mark dazu. Nun will er nur mehr „prüfen, ob die Abweichungen noch vertretbar sind“. Das wird wohl so sein, ihm kam es vor allem darauf an, daß es überhaupt eine Verurteilung gibt.

Keine halbe Stunde dauerte die Urteilsbegründung, in deren Verlauf Richter Le Viseur Schalck in 36 Fällen des Schmuggels von 69 Waffen und 246 Nachtsichtgeräten im Wert von knapp neun Millionen Mark von der BRD und West-Berlin in die DDR für schuldig befindet. Strafverschärfend nennt er Schalcks „starken Willen zum Rechtsbruch“, den großen Umfang und die mehrjährige Dauer der konspirativen wie illegalen Geschäfte. Verschärfend schlägt auch der dabei betriebene „große personelle Aufwand“ zu Buche. Für den Angeklagten spricht, laut Urteil, hingegen, daß er nicht vorbestraft ist, mit 63 Jahren schon ein wenig betagt ist, und daß es sich bei den Schmuggelgütern eher um die „untere Kategorie“ von Embargowaren gehandelt hat.

Anhaltspunkte für eine persönliche Bereicherungsabsicht sieht das Gericht nicht. Es räumt auch ein, daß Schalcks KoKo-Imperium den offiziellen Auftrag hatte, für den maroden DDR-Staat Devisen zu erwirtschaften. Es sollte danach die westlichen Handelsbeschränkungen gegen die Ostblockstaaten unterlaufen und mangelnde Konsumgüter aus dem Westen beschaffen. Die Argumentation bringt dem Angeklagten aber nichts. Die Schmuggeleien, so Le Viseur, seien „keine weisungsgebundenen Handlungen eines Staatsdieners“ gewesen. Er sei zu keiner Zeit angewiesen worden, „so und nicht anders zu handeln“. Weil er sich des „Verbotenseins“ seiner Taten bewußt gewesen sei, könne er sich auch nicht auf „rechtlich relevanten Irrtum“ berufen.

Die Verteidiger des früheren Staatssekretärs mit Zweitjob als „Offizier im besonderen Einsatz“ der Stasi hatten in dem 21tägigen Verfahren einerseits die Anklageerhebung als Verstoß gegen das Völkerrecht gerügt. Vor allem aber hatten sie das für die Anklage herangezogene Militärregierungsgesetz Nr. 53 (MRG) von 1948 als eine untaugliche „Gesetzesleiche“ beanstandet. Auf diesen Punkt werden die Verteidiger wohl ihren Revisionsantrag stützen, der, so Anwalt Alexander Ignor, „mit Sicherheit“ erfolgen wird. Als sie den Gerichtssaal verlassen, sind sich die Verteidiger zudem sicher, „notfalls“ bis vors Bundesverfassungsgericht zu ziehen.