■ Earvin Johnson, 36jähriger Basketballstar, feierte nach 50 Monaten Pause ein furioses Comeback. Der HIV-infizierte Spieler will Verteidiger und Aidsvirus gekonnt umdribbeln
: Magic Johnson schwebt ins All

Earvin Johnson, 36jähriger Basketballstar, feierte nach 50

Monaten Pause ein furioses Comeback. Der HIV-infizierte

Spieler will Verteidiger und Aidsvirus gekonnt umdribbeln

Magic Johnson schwebt ins All

Er ist langsamer geworden. Aber das Ballgefühl ist noch da, das geniale Paßspiel, der Bogenwurf mit einer Hand. Und das unnachahmliche Lächeln, das man bis zum 7. November 1991 als „ansteckend“ beschreiben konnte, ohne sich etwas dabei zu denken. An jenem Tag hatte Earvin „Magic“ Johnson der Öffentlichkeit erklärt, er sei HIV- positiv. Die Karriere als Profispieler, Superstar und „Magic“ schien zu Ende. Doch am Dienstag abend stand er für die „Los Angeles Lakers“ wieder auf dem Platz, verzeichnete gegen die „Golden State Warriors“ 19 Punkte, acht Rebounds und ein halbes Dutzend stehende Ovationen. Nach dem Spiel strahlte er von einem Ohr zum anderen, dankte Gott und forderte alle HIV-Positiven und Aidskranken auf, „das Leben nicht aufzugeben“. Da war es wieder, dieses uramerikanische Motto: Du- kannst-alles-wenn-du-nur-willst.

Was die Angesprochenen von dieser kleinen Ansprache gehalten haben, dürfte nicht zuletzt von der Anzahl ihrer T-Zellen im Blut und dem Status ihrer Krankenversicherung abhängig gewesen sein. Allen anderen Zuschauern demonstrierte der 36jährige tatsächlich, daß ein HIV-Infizierter mit den besten Basketballspielern der Welt mithalten kann.

Die Spieler wiederum demonstrierten, daß sie in den letzten Jahren einiges über Aids gelernt haben – nicht zuletzt dank einer massiven Aufklärungskampagne, der US-Profiliga NBA.

Johnsons erster Comeback- Versuch für die „Los Angeles Lakers“ im Herbst 1992 scheiterte an den öffentlich geäußerten Bedenken einiger Profis und Trainer, allen voran Karl Malone von den „Utah Jazz“ und Mark Price, der heute für die „Washington Bullets“ spielt. Beide fürchteten Ansteckungsrisiken, sollte Johnson während des Spiels blutende Wunden davontragen. Unausgesprochen, aber präsent, war zudem die Angst, der Virus könne auch durch Schweiß übertragen werden.

„Ich will doch keinen Sex mit Johnson“

Aids-Experten erklärten die Ansteckungsgefahr im Sport schon damals für faktisch nicht existent. Andere verwiesen auf Johnsons Teilnahme während der Olympischen Spiele 1992 in Barcelona. Doch die Einwände verstummten nicht. Johnson erklärte zum zweiten Mal das Ende seiner Karriere.

Gut drei Jahre später bringt Steve Kerr von den „Chicago Bulls“ die Reaktion der meisten Profis auf den Punkt: „Meine Güte, ich will doch keinen ungeschützten Sex mit ihm. Wir wollen mit ihm Basketball spielen.“ Auch von Malone kommen andere Töne: „Wenn er wieder spielen will, ist das großartig für ihn und die Liga. Mehr sage ich dazu nicht.“ Ob Malone glaubt, was er sagt, bleibt dahingestellt.

„Es sind bestimmt nicht alle glücklich darüber, gegen ihn spielen zu müssen“, meint Charles Smith, Forward bei den „New York Knicks“. „Aber keiner würde es wagen zu sagen, er wolle nicht gegen Magic spielen aus Angst, sich anzustecken. Die Presse würde ihn zerreißen.“

Spieler mit blutenden Wunden müssen inzwischen nach NBA-Regeln sofort vom Platz, um die Wunde behandeln und abdecken zu lassen. Mannschaftsärzte tragen Gummihandschuhe. „Universelle Vorsorge“ nennt das Dr. Bruce Dan vom „National Aids-Fund“. Man behandelt jeden Spieler so, als ob er infiziert wäre.

Nun war die Aufklärungskampagne der NBA keineswegs nur dazu gedacht, die Spieler auf die Rückkehr Johnsons vorzubereiten. Spätestens mit dessen nonchalanter Erklärung 1991, er habe sich den Virus beim Sex mit einem seiner zahlreichen „Groupies“ geholt, geriet ins Rampenlicht, was im professionellen Football und Basketball seit Jahren zum „Entspannungsprogramm“ der Spieler gehört: Mit möglichst vielen Frauen nach möglichst vielen Spielen ins Bett zu gehen.

Viele Punkte, viele Frauen, viel Ehr

Wilt Chamberlain, Basketball-Superstar der 70er Jahre ist noch heute für seine Punktrekorde ebenso bekannt wie für seine Behauptung, er habe es mit „mit mindestens tausend Frauen“ getrieben. Dieser Sportlerehrgeiz in der Sparte Sexismus, kombiniert mit einer Macho-Attitüde eigener Unverletzbarkeit, legt die Vermutung nahe, daß Johnson nicht der einzige HIV-infizierte Profisportler sein dürfte. Ein Teil der Panik nach Johnsons Pressekonferenz 1991, so schrieb George Vecsey von der New York Times, „kam von Spielern, die mit ihm vermutlich Telefonnummern getauscht haben“.

Medien und Fans jedoch reagierten damals mit spontaner Empathie für Magic Johnson. US-Präsident Bush ernannte ihn umgehend zum Mitglied der nationalen Aids-Kommission, die Johnson aus Protest gegen die Aids-Politik der Bush-Administration zehn Monate später verließ.

Tennisspielerin Martina Navratilova erklärte damals, eine Frau oder ein homosexueller Sportler hätten in einem solchen Fall wohl kaum mit so viel Verständnis rechnen können. Greg Louganis, mehrfacher Goldmedaillengewinner im Turmspringen, blieb es nach Bekanntwerden seiner Infizierung denn auch verwehrt, wie Johnson zum heroischen Kämpfer gegen Aids verklärt zu werden. Louganis ist schwul.

Trotz alledem: Am Dienstag fand in der Sporthalle der „Los Angeles Lakers“ ein Ereignis statt, das mehr Einfluß auf den Umgang der Gesellschaft mit Aids haben dürfte als alle Broschüren oder Aufklärungsspots im Fernsehen, die in den USA ohnehin rar sind. „The Magic is back“ – und wenn ihn irgend etwas langsamer gemacht hat, dann nicht der Virus, sondern das Alter und 17 Pfund mehr. Morgen spielen sie gegen die „Chicago Bulls“. Johnson gegen Michael Jordan – das Duell der Giganten. Andrea Böhm, Washington