Zu Fahrstuhlbeats schuckeln

Berlin trifft Tokio. Le Hammond Inferno produzieren Easy Listening jetzt selbst  ■ Von Kirsten Niemann

Mit orangefarbenen Plattenspielern unterm Arm, die auf ein einfaches Holzbrett genagelt waren, tingelten vor knapp drei Jahren die beiden DJs Ob und Scure, auch bekannt unter dem Namen Le Hammond Inferno, durch die Berliner Szenekneipen und amüsierten dort das Publikum. Sie spielten „Partyhits für Abgeschlaffte“, Lieder von Hilde Knef, Bossa Nova von Astrud Gilberto, Orgelbeats aus Frankreich und den Big-Band- Orchester-Sound von Bert Kaempfert.

Unhipper konnte ihre Musik eigentlich kaum sein, doch auf einmal waren ihre zumeist auf Flohmärkten zusammengeklaubten Tonträger nicht nur salonfähig, sondern wurden zum gemeinsamen Nenner, auf den sich die verschiedensten Szenen, sowohl Techno-Kids als auch Independent-Hörer, bringen ließen.

„Easy Listening“ nennt man heute den schrulligen Sound, den die beiden Kitsch-Liebhaber präferieren. Zu dieser Terminologie, die manche Musiker schlichtweg als Beleidigung empfinden, haben Le Hammond Inferno ein entspanntes Verhältnis. „Der Begriff ist natürlich total bescheuert. Irgendwann hat das mal jemand so genannt. Warum, das wissen wir eigentlich auch nicht. Aber seitdem heißt diese Musik eben so!“ Und die Musik, die sie auflegen, ist so doof, daß man sie schon wieder gut finden muß.

Holger Beier und Marcus Liesenfeld, wie die beiden DJs von Le Hammond Inferno mit bürgerlichem Namen heißen, haben den schlechten Geschmack zum Kult erhoben. Längst mußten sie ihre Aktivitäten schon in eine größere Location, die Hafenbar, verlegen, wo man wie zu alten Ostzeiten damit rechnen muß, mindestens 20 Minuten Schlange zu stehen, bevor man zu ihren legeren Fahrstuhlbeats auf einer rappelvollen Tanzfläche hin und her schuckeln darf. Wegen des regen Andrangs wird mittlerweile sogar auf größere Ankündigungen in den Veranstaltungsblättern verzichtet. Nur noch Suchende und Insider bekommen anhand der im Sechziger-Jahre- Charme gestylten Flyer Bescheid.

Doch der Sound, der uns auf den spießige Wohnzimmerpartys mit den schlecht funktionierenden Lichtorgeln unserer Eltern noch das Fürchten lehrte, soll nun mit Hammond Infernos Plattenlabel „Bungalow“ weitere Verbreitung finden: Für die ersten beiden Bungalow-Veröffentlichungen konnten Beier und Liesenfeld die Amerikaner Combustible Edison gewinnen, die bereits 1994 mit „I Swinger“ als erste westliche Easy- Listening-Combo debütierte: „Short Double Latte“ lautet die Single mit der Nummer Bungalow 001. Es folgte „Schizophonic!“ als zweiter Longplayer der Amerikaner. Während die Musiker aus Rhode Island zu Hause bereits nach ihrem Debüt auf einige Erfolge verweisen konnten, nahm man sie in Europa erst wahr, nachdem bekanntgeworden war, daß sie für den Soundtrack zu Tarrantinos neuem Film „Four Rooms“ verantwortlich waren.

Ein Liebesbrief an Pizzicato 5

Die größte Verehrung zollen Le Hammond Inferno jedoch den Japanern. In der japanischen Glam- Pop-Band Pizzicato 5 erkannten sie sogar so etwas wie Seelenverwandte. Sie schrieben ihnen einen Liebesbrief nach Tokio, legten eigene Aufnahmen dazu und bekamen ein Antwortpaket mit all den über 30 in Japan veröffentlichten Pizzicato-5-Platten, die hier aus vertriebstechnischen Gründen nicht zu kaufen waren. Schließlich wurde Hammond Inferno sogar die Ehre zuteil, das Vorprogramm der Japaner bei einem Auftritt in Berlin zu bestreiten und einen Abend gemeinsam mit dem posthum als „Erfinder des Easy-Listening-Sounds“ (Spex) titulierten Ex-Deee-Lite-DJ Towa Tei in der Hafenbar aufzulegen.

Der Kontakt zu Japan war ausschlaggebend für die Idee zu einem eigenen Plattenlabel. „Wer bisher geglaubt hat, daß Pizzicato 5 etwas ganz Besonderes seien“, doziert Liesenfeld, „der war noch nie in Japan.“ Dort entspricht diese Art von Musik, die Schlagerelemente der Swinging Sixties mit modernen Pop-Elementen kombiniert, schon seit über zehn Jahren dem Massengeschmack. Nachdem Liesenfeld und Beier im Dezember wieder einmal – aber diesmal in Tokio – vor Pizzicato 5 auflegen durften, wurden sie als Stars gefeiert und mußten sich mit begeisterten 14jährigen Mädchen fotografieren lassen. „Das war vielleicht schräg! – aber lustig“, erinnert sich Liesenfeld. Weiterhin sammelten sie in Tokio Kontakte zu allen möglichen wichtigen Leuten und jede Menge Tonmaterial, das auf der dritten Bungalow-Produktion, einer „Japan Compilation“, Ende März erscheinen soll.

Doch „Bungalow“ soll sich nicht auf den Vertrieb von Platten beschränken. Selbstverständlich werden auch in Zukunft noch Partys und Festivals geplant, wie ein großes Japan-Spektakel im Sommer. „Man kann bei uns auch schlechte DJs und miserable Bands buchen. Und dann haben wir ja noch die Galerie, in der wir irgendwann mal wieder eine Ausstellung zeigen werden...“ – schlechter Geschmack kennt schließlich keine Genre-Grenzen. Am kommenden Sonntag präsentieren Le Hammond Inferno und der Schlagzeuger von Combustible Edison „The Millionaire“ seine Lieblingsplatten und -cocktails.

Sonntag, 4. 2., 22 Uhr, Friseur, Kronenstraße 3, Mitte