Heldin: Die Ausstellungsmacherin Von Claudia Kohlhase

Die Ausstellungsmacherin ist eine Macherin sondergleichen. Sie macht nicht nur den Raum, in dem sie steht, sondern sie füllt ihn gleichzeitig auf, und den daneben auch noch und den und den. Ab und zu bleibt sie stehen und betrachtet ihr System, als könnte es noch eine kleine Verbesserung vertragen. Das System ist so, daß andere es quasi als wunderbar empfinden und nicht als Ergebnis eines inneren Gestaltungsprozesses, das ist jedenfalls ihr Wunsch.

Natürlich soll man erkennen, daß sie um die Umsetzung des Konzepts gerungen hat, aber nicht wirklich hat kämpfen müssen. Zu sehr hat ihr hierbei der eigene Geschmack geholfen, der steht ihr einfach zu Gebote, gottja, ein Talent, andere haben andere. Aber sie hat auch Glück, zum Beispiel diesmal wieder. Diesmal mit der asiatischen Ausstellung. Diese Stelen und Skulpturen verlangen ja im Grunde nur nach dem leeren Raum und transparenter Dezenz. Sie hat dazu ein teegelbes, kaum tailliertes Kostümjäckchen gewählt, das nicht zu sehr von der Sandfarbe der Stelen ablenkt. Ihre Schuhe sind ethnobraune Spangenschuhe mit ethnobeigen Socken, also auch von daher keine Störung der ruhigen Mischtöne im Raum.

Sie steht jetzt still und betrachtet aufmerksam die linke Ecke des vorderen Raumes, in dem seit einer Stunde die vier riesigen Phalli auf ihr Geheiß zusammen gruppiert wurden. Sie weiß, daß sie bei dieser Gruppierung den eurozentrierten Blickwinkel angewandt hat, da die Phalli in ihrer Heimat auseinander stehen – aber ist nicht erst der Zusammenprall von fremdländischem Stückgut und musealer, also ihrer Chuzpe, der Reiz von allem? Nein, für niemand ist die Ausstellungsmacherin jetzt zu sprechen, sie muß jetzt Schritte gehen, um der rechten Ecke des Raumes gerecht zu werden und sich ihr vorsichtig zu nähern.

Waren Sie schon einmal im Haus, fragt sie die vorbeischauende Besucherin, und weist sie auf das unsichtbare Licht hin, obwohl jene behauptet, schon dagewesen zu sein. Aber wer weiß schon, was Kunst ist oder daß Kunst erst Kunst wird, wenn sie richtig steht, hängt oder fällt. Hat die andere zum Beispiel bemerkt, wie unarrangiert alles ist? Und wie sich fast von selbst weiter hinten Dias an die Wand werfen? Hat sie gesehen, wie mit dem Hüftschwung der Giraffe, die andererseits stilisiert ist, die Situation der Ecke aufgelöst wurde? Die andere schämt sich, weil sie beim Durchmessen des Raumes bemerkt, daß sie keine hebenden Spangenschuhe trägt, sondern egozentrierte Spuren hinterläßt: Draußen hat sich Schnee zugetragen und als Ethnomatsch in die Profile der Bergstiefel gesetzt. Trotz Situationen. Immerhin ist die Dreckspur systematisch, denkt sie sich, aber die Ausstellungsmacherin hat nichts gesehen und steht jetzt vor den Fetischen, die sie ihrer dekorativen Tradition nachempfunden und gleichzeitig unornamentabel kombiniert hat. Hier geht es im Grunde um Adoration, erklärt sie der anderen, die sich heimlich das Wort übersetzen muß und hin und wieder nach der Spur umsieht. Am wichtigsten ist natürlich der Kontext, hört sie die Macherin sagen, die leichthin weiterfedert, um den Kontext zu vervollständigen. Wie gut, denkt die andere, daß der Kontext schon so voll ist, und zieht ihre Spur auf einmal heiterer.