Amerikanische Träumer

■ Vor den Söhnen sterben die Superväter: Tarzan-Zeichner Burne Hogarth und Superman-Daddy Jerry Siegel segneten fast parallel das Zeitliche

Alle Welt kennt Tarzan, „Sohn der Affen“, „Herr des Dschungels“, berühmter Zivilisationsflüchtling. Der Name des 1950 verstorbenen Autors und Tarzan- Schöpfers, Edgar Rice Burroughs, ist auch noch einigermaßen geläufig. Aber Burne Hogarth? Wer zum Buschmann ist Burne Hogarth? Nun, der am letzten Wochenende gestorbene 84jährige Hogarth war, nein, ist eine Kultfigur der internationalen Comicszene.

Als Hal Foster 1937 die Nase voll hatte von Lendenschurz und Liane – sich fortan Kettenhemd und Langschwert widmete und mal eben Prinz Eisenherz kreierte –, übernahm Hogarth den Tarzan- Strip. Seine an die Malerei der Renaissance erinnernden Bewegungsstudien, die aufs vortrefflichste die Dynamik der Zeichnungen mit der Dramatik der Story verbanden, machten ihn schnell zum Star. Außerdem hielt er sich ziemlich exakt an das Vorbild von Burroughs. Sein Tarzan war, bei aller Wildheit, ein intelligenter Mann. Das Bild des treudoofen, potenten, Großkatzen killenden Heiden entstand erst später durch Film- und Fernsehserien.

Seines realistischen Stils wegen, der sich natürlich auch auf die Darstellung der weiblichen Anatomie erstreckte, bekam Hogarth bald Schwierigkeiten mit seinem Verlag und mit der Zensur. Er kämpfte ein paar Jahre um seine künstlerische Freiheit, warf aber 1950 das Handtuch. Hogarth gründete die School of Visual Arts, an der er bis 1970 unterrichtete, und schrieb ein paar Lehrbücher. Tarzan geriet nach seinem Abgang in verschiedene, mehr oder weniger untalentierte Zeichnerhände (Bob Lubbers, Nick Cardy, John Celardo etc.), erst mit Russ Manning erreichte die Serie wieder eine beachtenswerte Qualität – Manning war ein Schüler von Burne Hogarth. Tarzan schrie stilgerecht weiter.

Superman, der „Mann aus Stahl“, ist mindestens genauso berühmt wie Tarzan. Aber Jerry Siegel? Sorry! Dabei war Jerry Siegel niemand Geringeres als Supermans Daddy!

Die Idee zu Superman hatte Siegel geklaut: Philip Wylie veröffentlichte 1930 einen Roman mit dem Titel „Gladiator“. Darin erklärt er die mögliche Superstärke eines Menschen so: „Sieh dir die Insekten an – die Ameisen. Die sind hundertmal so stark wie wir. Eine Ameise kann eine große Spinne tragen – und doch besteht auch dieses Insekt aus Gewebe und Fasern. Wenn man einem Menschen dieselben Sehnen geben könnte – er könnte sein eigenes Haus davontragen. (...) Ich sage dir, es gibt etwas, was die Qualität eines jeden Muskels und jeder Sehne ausmacht. Finde es, verpflanze es, und du hast die Lösung.“ Jerry Siegel kannte diese Geschichte, er hat sie sogar in einem von ihm selbst herausgegebenen Fanzine schwärmerisch rezensiert. 1933, gerade 17 Jahre alt, entwickelte er die Superman-Idee weiter und ließ sie von seinem gleichaltrigen Freund Joe Shuster in Zeichnungen umsetzen. Fünf lange Jahre versuchten die beiden schüchternen Highschool- Jungs ihren Strip zu verkaufen, bekamen aber nur Ablehnungen, da es sich um „eine ziemlich unreife Arbeit“ handle. Doch als Action- Comics 1938 die ersten Abenteuer des „Man of Steel“ herausbrachte, begann prompt die explosionsartige Ausbreitung des Superman- Mythos. Die Geschichten des Übermenschen wurden in 230 Tageszeitungen gebracht, Filme und Hörspiele entstanden, und Comicheftchen verkauften sich in steigender Auflage von zeitweise bis zu anderthalb Millionen Stück. Es hätte „ein amerikanischer Traum“ werden können, erinnerten sich Jerry Siegel und Joe Shuster 1975, und meinten damit ihre persönlichen Karrieren. Doch sie wurden ausgetrickst. Gegen entsprechende Zusicherungen und 130 Dollar hatten sie National Periodical Publications (DC) 1947 alle Rechte überlassen und waren nach einigen Jahren Mitarbeit gefeuert worden – ohne jemals noch einen Cent zu erhalten. Langjährige Rechtsstreitigkeiten blieben für die beiden erfolglos. Erst 1976 – beide waren mittlerweile 61, verarmt, Shuster hatte ein schweres Augenleiden und war nicht mehr arbeitsfähig – gewährte ihnen der mittlerweile über die Rechte an der Superman-Figur verfügende Mediengigant Warner Communications eine Jahresrente von jeweils 20.000 Dollar. Nicht freiwillig. Vorausgegangen war eine Kampagne bekannter Comiczeichner, die öffentlich für ihre alternden Kollegen eintraten.

Joe Shuster starb 1992; Jerry Siegel erlag jetzt, 81jährig, in Los Angeles seinem schweren Herzleiden – aber Superman fliegt immer noch. Karl Wegmann