■ Italiens neuer Regierungschef setzt auf eine Amnestie
: Autoritäre Wende

Offiziell geht es um Hehres, Zukunftsweisendes, gar um ein Jahrhundertwerk: Der neue Ministerpräsident Italiens, Antonio Maccanico, soll die als notwendig herbeigeredete Verfassungsreform durchbringen. Die Frage ist allerdings, warum das nicht der bisherige Amtsinhaber Lamberto Dini gekonnt hätte. Als Garant eines rigorosen Sparkurses hatte er dafür gute Voraussetzungen, zudem verfügt er im Ausland über ein ansehnliches Prestige. Maccanico dagegen ist weitgehend unbekannt.

Doch Dini sollte nicht der neue Ministerpräsident sein. Die Rechten wollen ihn schon lange loswerden, angeblich weil er vordem einer der Ihren war – er war unter Berlusconi Schatzminister – und sich dann auf eine Mitte-Links-Koalition stützte. Die Linke hatte Dini offiziell jetzt noch einmal vorgeschlagen, ihn dann aber nicht im geringsten verteidigt. Die wahren Gründe für die Wahl Antonio Maccanicos liegen denn auch nicht in seiner politischen Qualifikation. Mit dem zwar persönlich immer blassen, aber doch aufrechten Dini ist etwas nicht zu machen, was sich zumindest die Chefs der Forza Italia, Silvio Belusconi, und der Linksdemokraten, Massimo D'Alema, erhoffen: die Amnestie in Sachen Korruptionsverfahren. Seit langem schon hat Maccanico das Konzept dazu in der Tasche – diesen Joker hat er jetzt offenbar ins Spiel gebracht. Der gerissene Jurist will ein Konstrukt schaffen, das gleichzeitig das Volk beruhigt und die Mächtigen entlastet. Künftige Verfehlungen sollen noch viel härter bedroht werden als bisher schon – doch gleichzeitig werden die laufenden Verfahren ersatzlos oder mit geringen Geldstrafen getilgt. Berlusconi, der bereits vor Gericht steht und weitere vier Verfahren fürchten muß, sowie D'Alema, der im Februar ebenfalls die offizielle Zulassung eines Strafverfahrens fürchten muß, sind insofern bereit, sämtliche Kröten zu schlucken, nur um da rauszukommen.

So konnte Rechtsaußen Gianfranco Fini, auf den Berlusconi Rücksicht nehmen muß, jetzt ein Präsidialsystem nach französischer Art als wahrscheinlichstes Zukunftsmodell für Italien durchdrücken. Ein Modell, von dem bis vor zwei Monaten noch nicht

einmal ein Viertel der Abgeordneten etwas wissen wollte.

Die politischen Akteure sind gerettet, die autoritäre Wende ist eingeleitet. Werner Raith, Rom