Dominationsstrategie

■ Olivier Mongin zu Gast im Hamburger Institut für Sozialforschung

Es ist nicht neu, daß es nicht nur darauf ankommt, wie die Dinge sind, sondern auch darauf, wie sie wahrgenommen werden. Nimmt man etwa die Konflikte im ehemaligen Jugoslawien seit Titos Tod, so werden sie – und all ihre kriegerischen Folgen – im europäischen Westen vor allem als ethnische Konflikte gelesen, als Kulturproblem, und viel zu selten als politisches Phänomen. Von dieser Grundthese ging der französische Publizist Olivier Mongin in seinem Vortrag „Nationalistischer Totalitarismus – Rezeptionsweisen einer Herrschaftsform“ aus, den er im Hamburger Institut für Sozialforschung hielt. „Es ist zwar nicht die Regel, aber doch ein bestimmender Eindruck, daß das vergangene Jahrzehnt sich im Spiegel einiger intellektueller Schlagworte betrachtete“, meinte er da. „Nach 1989 war Francis Fukuyamas Ende der Geschichte gekommen, ein Thema, das dann rasch abgelöst wurde vom Thema Krieg der Kulturen, das wir dem amerikanischen Politologen Samuel Huntington verdanken und bei dem Anklänge an den allgemeinen Bürgerkrieg Enzensbergers nicht fehlen. Wie konnte man so rasch vom einen Thema ins andere abgleiten, von der Idee, die Demokratie habe „weltweit“ gesiegt, zu der Idee, die Demokratie sei Sache einer einzigen Fraktion auf dem Planeten und bestimmte Kulturen blieben dem Ethos der Demokratien ein für allemal fremd?“ Sicher, die Zeitläufte favorisierten Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre diese Sicht. Doch für Mongin steht fest, daß die rein ethnisch-kulturelle Auffassung im Fall Ex-Jugoslawiens einer politischen Analyse im Weg steht, die dringend notwendig sei. Wolle man jetzt, im Zustand des zerbrechlichen Friedens, oder in Zukunft agieren, müsse zum Beispiel verstanden werden, wie die Strategien der Domination – vor allem von Seiten der Serben – perfekt durchdacht nach Mustern funktionieren, in denen nicht nur Verunsicherung und Aggression ihren Platz haben, sondern auch die Rolle des „Friedensstifters“.

Thomas Plaichinger