Es war ein Bombenwetter

■ Heute vor 51 Jahren, am 3. Februar 1945, wurde Kreuzberg durch alliierte Bomben großflächig zerstört. Dokumentation des Kunstamts Kreuzberg erschienen

Heute vor 51 Jahren herrschte Bombenwetter. Die Sonne schien von einem strahlend blauen Himmel. „Es war keine Wolke am Himmel über der Stadt, als wir reinkamen“, zitiert eine jetzt erschienene Broschüre des Kunstamtes Kreuzberg einen damaligen US-amerikanischen Piloten. „Wir haben die Bomben nur so reingegossen. Es war freie Schußbahn, und man konnte sein Ziel nicht verfehlen. Wenn man von einer Stadt in der Vergangenheit sprechen kann, ist es Berlin. Es wird noch Tage brennen.“

Die Dokumentation „3. Februar 1945 – Die Zerstörung Kreuzbergs aus der Luft“ ist der gleichnamigen Ausstellung im Kreuzberg Museum nachempfunden, die im letzten Jahr mit 6.000 BesucherInnen eine unerwartet hohe Resonanz erfuhr. Ein verdrängtes und vergessenes Kapitel Berliner Geschichte wurde damit in die Erinnerung zurückgeholt. Und so erfahren wir: Am Morgen des 3. Februar 1945 starteten 1.000 US-Langstreckenbomber mit 2.022,2 Tonnen Bomben und 24,5 Tonnen Brandbomben an Bord. Ihr Ziel war das Regierungsviertel an der Wilhelmstraße, der Anhalter, Potsdamer und Schlesische Bahnhof, das Zeitungsviertel an der Kochstraße. Die Flieger nahmen das unverwechselbare Rondell des Belle-Alliance-Platzes am Halleschen Tor, der später, neu aufgebaut, in Mehringplatz umbenannt wurde, zum Ausgangspunkt ihres Großangriffs. Als sie gegen Mittag wieder abdrehten, waren rund 20.000 Menschen tot, über 20.000 verletzt und 120.000 obdachlos. Die Umgebung der Bahnhöfe bot ein Bild der Verwüstung, die historische Bebauung war weitgehend zerstört, das Zeitungsviertel brannte, die Feuerschutzpolizei war bis zum 7. Februar ununterbrochen im Einsatz.

Das Regierungsviertel aber war trotz einiger Treffer weiterhin voll funktionsfähig. Auch die Nazizeitungen erschienen wieder, nachdem ihre Herstellung ins Druckhaus Tempelhof verlagert worden war. Der Völkische Beobachter empörte sich bereits einen Tag später über den „Terrorangriff der amerikanischen Luftgangster“, die von den Nazis übernommene Berliner Morgenpost verkündete am 6. Februar: „Das einige Deutschland ist unbesiegbar!“

Tatsächlich glaubte damals fast niemand mehr an diese Unbesiegbarkeit. Das KZ Auschwitz war schon befreit, die Rote Armee stand 60 Kilometer vor Berlin, der Zangengriff der Alliierten wurde immer enger. Ziel des britisch- amerikanischen Angriffes sei es gewesen, referieren die Autoren die damaligen Überlegungen im gemeinsamen Planungsstab ihrer Streitkräfte, „ein Maß an Verwirrung zu stiften, daß geordnete Truppenbewegungen an die Front beeinträchtigt werden und der deutsche Militär- und Verwaltungsapparat behindert wird“. Diese Form des vernichtenden Flächenbombardements, die die Nazis bereits an den Städten Warschau oder Rotterdam vorexerziert hatten, hatte also neben materiellen auch psychologische Ziele.

Ob der Angriff darüber hinaus gezielt die Rüstungsproduktion ausschalten sollte – jeder sechste der Berliner Rüstungsbetriebe produzierte in Kreuzberg, davon jeder dritte im ehemaligen „Exportviertel Ritterstraße“ –, daran äußern die AutorInnen gelinde Zweifel. Ob Absicht oder zufälliger Nebeneffekt: Vom ehemaligen „Exportviertel“, dessen ehrwürdige Handels- und Handwerkshäuser von den Nazis zu mittelständischen Rüstungsbetrieben umfunktioniert worden waren, blieb jedenfalls nur Schutt und Asche übrig. Ute Scheub

Erik Smit, Evthalia Staikos, Dirk Thormann: „3. Februar 1945“. 120 Seiten, viele Fotos. 14,80 DM, im Buchhandel oder im Kreuzberg Museum erhältlich