Wohlige Wärme ohne Heizung

Konzepte zum Energiesparen bei Häusern und Wohnungen auf der bautec '96: Das „märkische Haus“ spart drei Liter, das „Passivhaus“ aus Darmstadt verbraucht gar keine Energie mehr  ■ Von Lennart Paul

Im Sommer, wenn die Sonne senkrecht steht und Dachwohnungen sich in Brutkästen verwandeln, nimmt man sich gerne mal wieder vor, die Heizung in den kalten Monaten weniger aufzudrehen, um Geld und Energie zu sparen. Doch wenn der Eiswind durch jede kleine Ritze zwischen Fensterrahmen und Mauerwerk dringt und die Gardinen zum Schaukeln bringt, helfen auch Norwegerpullis nichts mehr – es bleibt nur der Weg zum Heizkörperthermostat, oder, im schlimmsten Fall, der tägliche Extragang in den Kohlenkeller.

Nur bei einer Temperatur von 18 bis 25 Grad fühlt sich der Mitteleuropäer wohl. Er braucht ein Haus, das die Kälte aussperrt. „Bauen und Energiesparen“ heißt einer der Schwerpunkte der bautec '96, die vom 14. bis 18. Februar in den Messehallen am Funkturm stattfindet. Die internationale Baufachmesse will zeigen, daß der größte Teil Energie durch eine richtige Bauweise eingespart werden kann.

Mehr als zwanzig Jahre liegt die weltweite Ölkrise zurück. Danach ging man schnell wieder zur energieverschwendenden Tagesordnung über. Ein Schwede aber dachte um. Bo Adamsen überlegte, wie man den Energieverbrauch von Einfamilienhäusern minimieren könnte. Seine Häuser sind nach Süden ausgerichtet, auf der Nordseite laufen sie schmal und fensterlos zu. Die Südseite dagegen hat große Fensterflächen. Adamsen begann seine Versuche in Indien, dann experimentierte er Schritt für Schritt in kälteren Regionen.

Auf seinen Untersuchungen gründet das von der hessischen Landesregierung initiierte „Passivhaus Forschungsobjekt“. In Darmstadt steht das Haus, in dem seit fünf Jahren keine Heizung läuft. Das Verblüffende: Trotzdem weist es auch im Winter eine Raumtemperatur von 20 Grad auf. Das Haus ist komplett wärmegedämmt, so daß durch keine Fuge der Wind pfeifen kann. „Die großen Fenster sind sogenannte Supergläser, die wie Solarkollektoren wirken. Dadurch übertrifft der Solargewinn auch in den Wintermonaten deutlich den Wärmeverlust“, sagt Manfred Bruer, Geschäftsführer der Firma „Isorast“, die an dem Projekt beteiligt ist. Die Dreifachscheiben wirken nach Bruers Angaben selbst bei bedecktem Himmel wie große Raumheizungen. Deshalb braucht das Haus keine weitere Heizung mehr. „Selbst bei –15 Grad ist es im Haus 20 Grad warm“, sagt Bruer.

Das Haus gibt es bereits seit fünf Jahren. In diesem Jahr geht das Projekt in Serie: 440.000 Mark wird das 148-Quadratmeter-Haus kosten, ohne Baugrund. Für alle Fälle wird in diesen Häusern allerdings eine Ein-Kilowatt-Notheizung eingebaut sein. „Heizölverbrauch pro Quadratmeter pro Jahr“ – mit dieser Formel ist der Energieverbrauch von Wohnungen auf einen Nenner zu bringen. Haben die Bewohner des Passivhauses einen großen Energiebedarf, beträgt der Verbrauch maximal einen Liter.

Nicht ganz so sparsam ist das neue märkische Haus, initiiert von der Landesentwicklungsgesellschaft Brandenburg. Mit seinen sieben Litern liegt es aber immerhin drei Liter unter den Werten, die sonst üblich sind. Und es hat weitere Vorteile: „Das märkische Haus ist biologisch, ökologisch, wärmedämmend und preiswert“, sagt Michael Hassenkamp, dessen Berliner Agentur das Projekt betreut. Der Prototyp des Hauses wird in Friesack, nordwestlich von Berlin, errichtet und im Juli fertiggestellt. Alle Baustoffe stammten aus der Natur, sagt Hassenkamp: Die Wände des Fachwerkhauses sind unter anderem aus Zellulose, im oberen Stockwerk geht man auf Korkboden. Umweltschonend ist auch die Grauwassernutzung – Regenwasser wird aufgefangen und für die Toilettenspülung sowie die Waschmaschine genutzt. Wärmetauscher sorgen für Be- und Entlüftung: Die alte Luft wärmt die Frischluft vor. Pollenfilter für Allergiker sind eingebaut. Für das 118-Quadratmeter-Haus zahlt man 265.000 Mark, später sollen auch Mehrfamilienhäuser entstehen.

Wie beim Auto beginnt auch in der Bauindustrie das Ringen um das Fünfliter-Haus. Diese Verbrauchshöhe hält Gerd Hauser vom Institut für Bauphysik der Universität Kassel bei Neubauten für realisierbar. Dazu müsse allerdings für eine dichte Gebäudehülle gesorgt werden.

Abdichtung der Mauerfugen und den Wärmeverlust zwischen Gebäudeteilen – diese Probleme sind fast allen Mietern bekannt, besonders in Altbauwohnungen. „Das Einliter-Haus wird auf absehbare Zeit ein Exot bleiben“, sagt Detlef Bramigk von der Gesellschaft für rationelle Energieverwendung. „Wir beschäftigen uns besonders mit dem Altbaubestand. Hier kann man schon mit relativ einfachen Mitteln Erfolge erzielen, etwa mit der Abdichtung der Fenster.“ Bramigk geht davon aus, daß in diesem Jahr die Heizkosten wegen des kalten Winters im Schnitt um 25 Prozent steigen werden. Er schätzt, daß Mieter die 20 Mark pro Quadratmeter, die häufig gezahlt werden, durch eine bessere Abdichtung von Fenstern und Mauern halbieren könnten.

Das Passiv-Haus wird auf der bautec in Halle 3–1, Stand 1–3–02/02 präsentiert.

Das neue märkische Haus befindet sich in Halle A 2.1, Stand 12.

Die Gesellschaft für rationelle Energieverwendung berät täglich in Halle A 1.2, am Stand 14