Zehn Jahre Stau statt Nahverkehr

■ Verkehrsbehörde plant Extrabrücke für Straßenbahn an der Warschauer Straße

Die Zusammenlegung von Bau- und Verkehrsbehörde zeigt erste Auswirkungen. Statt der vom abgelösten Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) geplanten Verlegung von Straßenbahngleisen auf der Warschauer Brücke erwägt der neue Bau- und Verkehrssenator Jürgen Klemann (CDU), den Vorstellungen seines Parteifreundes und ehemaligen Verkehrssenators Herwig Haase zu folgen. Demnach soll eine zusätzliche Brücke die Straßenbahnen über die dortigen S-Bahn-Gleise führen, um den Autoverkehr auf dem zukünftigen Innenstadtring nicht auf eine Fahrspur je Richtung zu beschränken.

„Die Änderung ist ein dreister, aber bekannter Versuch, den Ausbau der Straßenbahn zu verhindern“, kritisiert Michael Cramer, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen. Bereits bei der Sanierung der Oberbaumbrücke habe Haase auf eine Extrabrücke gedrängt, um den Tramausbau aus Kostengründen abblasen zu können. Auf der Warschauer Brücke wäre aber ein unkomplizierter Einbau möglich, meinte Cramer. Im Frühjahr sollten dort nach Nagels Plänen im Zuge umfangreicher Sanierungsarbeiten die Gleise vorsorglich verlegt werden. „Das wäre ohnehin nicht möglich, da erst ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt werden müßte“, begründet Ralf Schlichtung, Sprecher des Bau- und Verkehrssenators, das Abweichen von der Nagel-Linie und den Nichteinbau der Gleise. Ein solches Verfahren dauere in der Regel 15 Monate. Die Grünen hatten dieses Verfahren bereits 1991 beantragt. Es sei aber von CDU und SPD bisher stets abgeblockt worden, so Cramer, da es kein Gesamtkonzept für den Bereich des S-Bahnhofs gebe. Auf der Warschauer Brücke könnten die Gleise trotzdem verlegt werden, da früher dort auch Straßenbahnen fuhren und die Brücke nie entwidmet wurde.

„Die Extrabrücke macht allenfalls Sinn, wenn vorher der geplante Umbau des S-Bahnhofs Warschauer Straße erfolgt ist“, meint Cramer. Hier sollen in Zukunft alle Züge in eine Richtung von einem Bahnsteig fahren. Wegen der Gleisanschlüsse wäre hierzu wiederum der 700 Millionen Mark teure Umbau des Bahnhofs Ostkreuz Voraussetzung, der aber immer wieder verschoben worden sei.

Der Bau der geplanten Extrabrücke würde etwa 22 bis 24 Mio. Mark zusätzlich kosten. „Der Autoverkehr würde trotzdem schon durch die zwei zusätzlichen Kreuzungen behindert“, bezweifelt Cramer den Sinn des Projekts. Notwendig sei eine zügige Planung der Tramverlängerung über Oberbaumbrücke bis zum Hermannplatz. Dann könne noch dieses Jahr mit dem Ausbau begonnen werden. „Wenn die aber an der Brücke festhalten, fährt hier in zehn Jahren noch keine Straßenbahn.“ Gereon Asmuth