Eigene Berichte

■ Eimsbüttel / Was tun? / Fünfziger Jahre / Rotweiß / Tagesthema

Eimsbüttel

Ausgerechnet eins dieser bonbonfarbenen Erstsemesterautos, die auch quer in Parklücken passen, hätte mich neulich fast vom Zebrastreifen gemangelt. „Frau am Steuer“, entfuhr es mir und gleich darauf noch etwas bleibend Böses – da hielt der Wagen mitten auf der Straße an: Ohne erkennbare Fremdeinwirkung war plötzlich die Heckklappe aufgegangen, irgendein größerer Gegenstand herausgefallen und mit Karacho auf den Asphalt gedonnert. Ich hatte vor, die Unfallstelle gemessenen Schrittes zu passieren, zumal sich der Schaden augenscheinlich in Grenzen hielt. Im Staub lag, wie ich mich selbst überzeugen konnte, lediglich ein Bilderrahmen, wovon sie – nebst Yuccapalmen und Bastkram – noch eine ganze Batterie im Auto stehen hatte. Sah aus, als wär' er heil geblieben, von hinten jedenfalls. Ich hätte mich jetzt, gleichauf mit der Besitzerin, nur noch danach zu bücken brauchen. Wo blieben meine ritterlichen Gefühle? Zack, da hatte die Graue Pantherin das gute Stück schon an sich gebracht, drehte es um und hielt mir triumphierend das Bild entgegen. Tatsächlich, keine Schramme zu sehen! Absolut freie Sicht auf das, was hinter der unkaputtbaren Plexilegierung als tiefere Botschaft dieses Zwischenfalls auf mich gelauert hatte: Über einem hübsch collagierten Hintergrund stand in Zierschriftlettern zu lesen: Gefühl und Härte.Andreas Schäfler

Was tun?

„Wir haben verstanden“, blaht mich neuerdings regelmäßig die Fernsehwerbung einer Autofirma an, und „Was? Was habt ihr denn schon verstanden?“ blaffe ich ungerührt zurück. Bruchrechnung? Gewitterentstehung? Die Weltenformel? Kollege Abzocker antwortet natürlich nicht.

Nicht weniger prahlerisch kommt die Konkurrenz daher: „Die tun was.“ Man ahnt schon, daß ich wiederum nicht völlig zufrieden dasitze, sondern mit den Fäusten auf der Mattscheibe herumtrommele und „Was? WAS?“ schreie. Na, irgendwas eben, zum Beispiel als Werbeagenturen getarnten Debilen-Stammtischen Millionen in den Rachen werfen. Ist ja eh lange schon alles Wurscht und piepe. Würde mich das ärgern, wenn ich so ein Auto – Moment mal... ich habe ja so ein Auto. Sobald das Fernsehen mit Antwortmöglichkeiten erfunden ist, werde ich kontern: „Hier setzt es was!“ Was? WAS? Aha, das.Susanne Fischer

Fünfziger Jahre

Wenn man den Leserwitz in der Hamburger Morgenpost gelesen hat und nicht so richtig von Herzen lachen konnte („Mami, heute haben wir in der Schule männliche Prostituierte gemalt. Lauter Strichmännchen!“), dann sollte man zum Altonaer Wochenblatt greifen, wo ein Fünfziger-Jahre-Journalismus gehegt und gepflegt wird, der sich gewaschen hat. Besonders schöne Vokabeln findet man in den Polzeiberichten. Auto-Marder: „Für zwei Auto-Marder hieß es in der Nacht vom Donnerstag auf Freitag: Hände aufs Wagendach.“ Beutelschneider: „...eilte jedoch der Sicherheitsdienst der Disco zu Hilfe und hielt einen der Beutelschneider fest.“ Duo aus Osteuropa: „...ein herbeigeeilter Zivilfahnder konnte das Duo aus Osteuropa und dem Vorderen Orient bändigen.“ Klasse, was? Außerdem kann man noch massenhaft Wörter entdecken wie „Amüsiermeile“ und „Bordsteinschwalbe“. Gut sind aber auch die Anzeigen. Ein Friseursalon meldet: „Dünne Haare müssen nicht länger sein“. Das leuchtete mir sofort ein, weil auch ich denke, daß dünne Haare nicht so auffallen, wenn sie kurz geschnitten sind. Aber wozu solch eine Binsenwahrheit in die Zeitung setzen? Fanny Müller

Rotweiß

Ekel ist auch ein Reiz. Muskelkontraktionen im Unterleib, ausgetrocknete Schleimhäute im Mund- und Rachenraum, eine Hitze hastet durch den Körper. Wie beim Orgasmus, nur modo negativo.

Das ekligste Erlebnis des vergangenen Jahres ergab sich aus einem akuten Hungeranfall. An einem Imbiß erstand ich eine Schale Pommes frites mit Ketchup und Mayonnaise. Gerade als ich den ersten Bissen tat, sprach mich ein Bettler an, ob ich Kleingeld habe für ihn. Noch bevor ich antworten konnte, winkte er ab: „Laß dir ruhig Zeit, iß ersma auf. Ich will ja nicht, daß du dich ekelst.“ Dann deutete er auf sein Bein, wo unter einem notdürftigen Verband eine rotblutige Wunde klaffte, aus der offen weißer Eiter quoll. Wortlos drückte ich dem gütigen Mann die Schale in die Hand und ging mit einem leichten Würgen im Hals des Weges. Nur meiner aboluten Nervenstärke ist es zu verdanken, daß ich heute bereits wieder essen kann und nicht sofort zum eingefleischten Vegetarier wurde.Michael Ringel

Tagesthema

Jeden Morgen kann man beim Berliner Zeitungshändler auf großen Stelltafeln lesen, was sich im Laufe des vergangen Tages in der Stadt getan hat – beziehungsweise, wo lokales Leid, Elend und Probleme liegen. So auch am letzten Montag. „Berliner Polizist erschießt sich auf seinem Revier“, meldet die BZ. Und direkt daneben kündigt auch die Berliner Morgenpost ein Ordnungshüterthema an: „Berliner Polizisten haben zu wenig schußsichere Westen.“

Das muß wohl so sein. Carola Rönneburg