Kleine Nachtmusik für die Nationalpartei

Zum historischen 2. Februar wollte Südafrikas Ex-Präsident de Klerk an alte Zeiten anknüpfen  ■ Aus Pretoria Kordula Doerfler

Der 2. Februar ist für Südafrikas Nationalpartei ein historischer Tag. Genau vor sechs Jahren verkündete an diesem Tag der letzte weiße Präsident Südafrikas, der zur Nationalpartei gehörende Frederik Willem de Klerk, überraschend die Freilassung aller politischen Gefangenen und leitete damit den Weg Südafrikas in die Demokratie ein. Gut eine Woche später verließ ANC-Chef Nelson Mandela nach 27 Jahren Haft das Gefängnis als freier Mann. Ein Jahr zuvor, ebenfalls am 2. Februar, war de Klerk zum neuen Parteichef gewählt worden. Weil das alles schon so lange her ist und heute kaum noch jemand über den 2. Februar spricht, wollte die Partei gestern dafür sorgen, daß sich das wieder ändert.

Mit bewegten Worten wurde also eine neue Parteizentrale in der Hauptstadt Pretoria eingeweiht, mit Blick auf das „Voortrekker“- Denkmal, das Nationalheiligtum der Buren. Die Büros des schlichten Backsteinbaus am Stadtrand sind noch leer und riechen nach Farbe. Hübsch geschmückt ist indessen schon das Foyer, mit Stellwänden voller Fotos von de Klerk in allen Lebenslagen. Auch einen Namen bekam das Haus gestern: In bester burischer Tradition wurde es nach dem Parteichef benannt – also nach de Klerk. Der einstige Präsident und derzeitige Vizepräsident Südafrikas zeigte sich gerührt und stramm zugleich: „Dieses Haus ist wie die Nationalpartei: funktionell, schlicht und zielstrebig. Wir wissen, wohin wir wollen und was wir anstreben.“

Das war eine fromme Lüge. Die Partei steckt in einer tiefen Krise. Ihre gesamte Organisation ist zusammengebrochen, seit das alte System, in dem freiwillige Parteidienste mit üppigen Staatsposten belohnt wurden, nicht mehr funktioniert. Wie viele Mitglieder die Nationalpartei derzeit hat, weiß nicht einmal sie selbst. Darüber hinaus laviert sie zwischen Regierung und Opposition und hat im neuen Südafrika jegliche Orientierung verloren. Darüber spricht man aber nicht öffentlich. Wenn es doch einmal passiert – wie vor wenigen Wochen geschehen, als ein internes Diskussionspapier einer Zeitung zugespielt wurde –, werden die Verantwortlichen als Verräter gebrandmarkt. Nach außen übt man sich indes in multikultureller Offenheit, indem bei Gelegenheiten wie gestern immer ein paar Vorzeige-Farbige und -Schwarze präsentiert werden.

Daß man auch über Sinn für europäische Kultur verfügt, bewies gestern ein Kammerorchester, das im Hof der neuen Parteizentrale mit Mozarts „Kleiner Nachtmusik“ die Feier eröffnete. Aber auch in den USA hatte man sich beraten lassen, denn die Einweihung des neuen Hauses war selbstredend Aufgabe der First Lady der Partei, Marike de Klerk. Etwa einen Kilometer entfernt stiegen ein paar hundert bunte Luftballons in die Luft: Das Volk sollte ja auch etwas vom 2. Februar haben. Die versprochene „historische Rede“ F. W. de Klerks hingegen erwies sich als wüstes Konglomerat von Legendenbildungen und „Visionen“. Wer genau zuhörte, dem blieb trotz aller schwülstigen Rhetorik die Verunsicherung nicht verborgen: An eine Namensänderung und Neugründung, wie in dem ketzerischen Papier vorgeschlagen, sei derzeit nicht zu denken, so de Klerk. Man sei aber in einem Prozeß der Erneuerung. Außerdem sei die Nationalpartei, die über 40 Jahre lang ganz allein regierte, zutiefst besorgt darüber, daß Südafrika von einer Partei dominiert werde – gemeint war der ANC. Jetzt wolle man Gespräche mit anderen Oppositionsparteien führen und alle Südafrikaner hinter sich sammeln, die sich christlichen Grundwerten verpflichtet fühlen. Mehr noch, versprach de Klerk: „Ich will allen Südafrikanern die Hand reichen, die besorgt und ängstlich sind.“

Dann hatte de Klerk tatsächlich eine kleine Sensation anzukündigen. Mit Wirkung zum 1. März will er sein bestes Pferd aus der Regierung nehmen: Roelf Meyer, einer der Architekten der südafrikanischen Demokratie und derzeit Minister für Verfassungsfragen, soll das Kabinett verlassen und Generalsekretär der Nationalpartei werden — ein Posten, den es bislang gar nicht gab. Meyer gilt als der kompetenteste Mann der Nationalpartei in der Regierung Mandela. Darüber hinaus hat er ein zentrales Ressort, da die Regierung bis zum 9. Mai den Entwurf für eine endgültige Verfassung vorlegen muß. Ob der Zeitpunkt für seinen Rückzug günstig ist, bleibt also dahingestellt. Oder, wie Herr de Klerk sagte: „Die Partei ist bereit zu einem neuen geistigen Treck in eine unbekannte politische Zukunft.“